Auf Twitter kursierte heute der Hashtag #montagslächeln, unter dem Menschen Photos posteten, auf denen zumeist nichts zu sehen war als ein lachender Mund. So weit, so schön diese kleine Geste gegen das übliche Montagsmimimi. Ich bemerkte, dass auf den Photos einiger Frauen ihre Ausschnitte deutlich stärker im Mittelpunkt standen als ihr Lächeln. Man kann darüber denken, was man will. Meine Meinung verpackte ich in einem Tweet. Schnell hatte ich drei, vier Reaktionen, die genügten, dass ich den Tweet wieder löschte, denn ich habe keine Lust auf unsinnige Diskussionen in 140 Zeichen. Wer meine ausführliche Meinung hier lesen und kommentieren möchte, ist dazu herzlich eingeladen.

First things first: Ich bin die letzte, die etwas dagegen hat, dass Frauen ihre Brüste mit Stolz tragen. Ich bin selbst der Auffassung, dass meine Brüste zu den gelungeneren Stellen an meinem Körper zählen. Ein schöner Ausschnitt ist eine feine Sache. Ich habe nirgends davon gesprochen, Frauen sollten ihre Brüste, andere Körperteile oder generell ihre Weiblichkeit verstecken. Nicht im RL, nicht auf Photos, auch nicht auf Twitter. Ich finde in diesem besonderen Fall nur den Kontext seltsam.

Genaugenommen fiel mir das Brüstedilemma unter dem Hashtag #montagslächeln deswegen ins Auge, weil ich niemals auf die Idee gekommen wäre, meine Kamera so zu justieren, dass meine Brüste auf dem Bild zu sehen sind, wenn ich mein Lächeln photographieren will. Vielleicht ist mein Körper einfach seltsam geschnitten, wenn mein Lächeln so viele Zentimeter oberhalb von meinem Brustansatz liegt, dass man beides auch bequem getrennt voneinander photographieren kann. Ich ging wenigstens – womöglich fälschlicherweise – davon aus, dass diese Bilder mit Absicht so inszeniert waren. Diese Beobachtung löste ein leises Bedauern in mir aus – deswegen, weil ich befürchte, dass Frauen mitunter ihr Lächeln für so unspektakulär halten, dass sie es durch den Einschluss ihres Ausschnittes aufwerten müssen. Und das finde ich schade.

Warum ist das Photo eines Lächelns nicht genug? Ist es zu langweilig? Zu normal? Zu gewöhnlich? Kann erst ein tiefer Ausschnitt das Photo besonders machen? Und was machen dann die Jungs?

Mir ist der Mechanismus, sich auf Twitter mit seinem eigenen Körperbild auseinanderzusetzen, indem man Selfies postet und die Reaktionen darauf beobachtet, durchaus nicht unbekannt, auch von mir selbst. Ich glaube, dass Twitter wahnsinnig vielen Frauen genau durch diese Möglichkeiten zu einem gesünderen Körperbewusstsein verhilft und dass Hashtags wie #effyourbeautystandards eine wichtige Funktion erfüllen. Ich habe schon viele Photos mit schönen Ausschnitten bewundert und besternt, ich laufe selbst nicht Tag und Nacht mit Rollkragenpullovern durch die Gegend, und obwohl ich das Bedürfnis, sich auf Twitter tatsächlich nackt zu zeigen, kein Stück nachvollziehen kann, soll doch von mir aus jeder nach seiner Fasson glücklich werden. Twitter bietet Tag und Nacht die Möglichkeit, sich so zu zeigen, wie es einem gut tut.

Genau deswegen begreife ich nicht, warum man das bei einem Hashtag tun muss, bei dem es um etwas ganz anderes geht.

Wenn wir von den Medien propagierte Schönheitsideale hinterfragen wollen, wenn wir wahrgenommen werden wollen als ganzheitliche Menschen, die aus Geist und Körper und nicht nur aus einem von beiden bestehen, dann tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir keine schönen Photos von uns machen können, ohne unsere Brüste darauf zu zeigen.

Bei jedem einzelnen Hashtag-Mem, das nach einem Selfie verlangt, setzen sich manche auf den Photos mehr oder weniger stark in Szene. Das war schon so bei #zeigthereureaugen, mehr noch bei #nomakeupselfie, nicht zuletzt auch bei den Videos der #icebucketchallenge. Gerade bei den letzten beiden empfand ich es als befremdlich – die Aktionen waren dazu da, Aufmerksamkeit auf Krankheiten zu lenken, nicht dazu, möglichst viele Komplimente in der Timeline anzuhäufen. Vielleicht ist der Zusammenhang stärker als ich mir in meiner Naivität eingestehen will. Die Leute interessieren sich vielleicht einfach nicht dafür, auf eine Krankheit aufmerksam zu machen, wenn sie nichts dafür bekommen. Wenn sie aber eine Möglichkeit darin sehen, sich in Szene zu setzen, damit 800 Follower ihnen unter ihr Selfie schreiben, wie phantastisch sie aussehen – dann denken sie vielleicht darüber nach.

Diese Instrumentalisierung des Selbstwertgefühls stört mich. Es ist schwer genug, sich in dieser Welt ein gesundes Körpergefühl zu erkämpfen und sich wohl in seiner Haut zu fühlen. Wir sollten keine Hashtags brauchen, nicht auf sie angewiesen sein, um uns stolz zu präsentieren. Wir sollten zum gleichen Ende vor allem keine Hashtags missbrauchen, die ein anderes Ziel verfolgen. Und ich ganz persönlich – und es hat weiß Gott jeder das Recht darauf, das anders zu sehen! – will meine Brüste nicht zur Unterstützung gebrauchen müssen, um mein Lächeln zu zeigen.