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Brückenschläge und Schlagworte

Trebinje und Dubrovnik

Am naechsten Tag fahre ich mit dem Bus nach Trebinje. Oestlich von Sarajevo beginnt fast sofort eine wunderbare Landschaft – hier sind sie, die gruenen Huegel Bosniens, die ich im Herzen getragen habe. Enge Schluchten, weite Taeler, kleine Staedtchen mit Moscheen oder orthodoxen Kirchen praegen die Landschaft, ich fahre durch die Republika Srpska, man sieht es spaetestens daran, dass die Strassenschilder zum grossen Teil nur in Kyrilliza sind.
Am spaeten Nachmittag erreiche ich Trebinje im suedlichsten Teil der Hercegovina. Meine Couchsurfing-Gastgeberin holt mich an der Bushaltestelle – vielmehr: dem Parkplatz, auf dem der Bus haelt – ab. Sie ist eine deutsche Freiwillige, die hier fuer ein Jahr in einer Einrichtung fuer Behinderte arbeitet. Nach einem kurzen Schnack breche ich gleich wieder auf in die Stadt.

Auf der schoenen Bruecke ueber die Trebisnica schaue ich ins klare Wasser und geniesse die Abendsonne. Neben mir bleibt ein Passant stehen und sagt etwas zu mir, ich verstehe ihn nicht und sage auf bosnisch, dass ich die Sprache nicht kann, und er fragt zurueck, welche Sprache ich denn kann. Deutsch, sage ich, und er antwortet, dass er aus Villingen-Schwenningen kommt. Ausgerechnet, da muss ich schon lachen. Er sei vor vielen Jahren dorthin gegangen als Gastarbeiter und besuche jetzt als Fruehrentner ueber den Sommer seinen Bruder. Ueberhaupt nicht aufdringlich, einfach nur sehr nett und lustig ist das Gespraech, und nach einigen Minuten mache ich mich dann auf den Weg weiter in die Altstadt.
Sie ist klein, schattig, gruen und wunderschoen. Ohne richtig erklaeren zu koennen, warum, erinnern mich die Gebaeude gleichermassen an kroatische Kuestenstaedte und an die anderen mir bekannten Orte in der Hercegovina. Eigentlich muesste ja hier der serbische Einfluss groesser sein. Ueberall die weissen alten kuehlen Steine, und viele viele Baeume. Ich habe den Eindruck, dass hier Palmen, Kastanien und Zypressen nebeneinander wachsen, eine lustige Kombination. Die Kastanien sind vor allem dominant auf dem huebschen Trg Slobode, der Freiheitsplatz. Ich setze mich auf eine Bank und schaue die froehliche Lebendigkeit um mich herum an. Der Platz ist groesser und offener als ich es aus Mostar oder Sarajevo kenne, dadurch hat er nicht die kuschelige Gemuetlichkeit dieser Staedte, aber die Weite, die hier herrscht, ist angenehm, und unter dem Schatten der maechtigen alten Baeume vergisst man die Hitze. Ein Vater spielt mit seinem vielleicht drei Jahre alten Sohn Fussball. Ich strahle den kleinen Jungen an. Der Vater versucht auch mit mir zu reden, immerhin kann ich ganz kurz auf bosnisch bzw. hier heisst das wohl serbisch erklaeren, wo ich herkomme und dass ich zum Urlaubmachen hier bin. Sehr offen sind die Leute hier.
Ich laufe zum Stadtpark hinueber. Ueberall stehen Denkmaeler von Jovan Ducic, dem wichtigsten Sohn der Stadt – ein serbischer Dichter und grosser serbischer Patriot. Im Stadtpark ein denkmal fuer die Opfer des Zweiten Weltkriegs mit sozrealistischer Aesthetik, mir gefaellt das ja.
Zurueck in Richtung des Flusses steht noch ein Denkmal, eine grosse Saeule mit dreieckigem Grundriss, eine Seite ist weiss, eine rot, eine blau, auf dem knubbeligen Sockel steht in kleinen goldenen kyrillischen Buchstaben: Branilacima Trebinja 1991-1996, den Verteidigern von Trebinje. Im ersten Moment frage ich mich kurz, ob die drei Seiten fuer die drei Ethnien stehen, denke dann aber gleich: wohl kaum. Viel zu aufgeklaert. Und dann sehe ich auch, dass das Denkmal so serbisch ist, dass es einen beinahe aufbringen koennte, blauweissrot und christlich. An den Ecken des Sockels laeuft Wasser aus dem Stein, als wuerde er weinen. Die Saeule steht vor einer Mauer, oben auf der Mauer steht ein kleines orthodoxes Kreuz, vor der Mauer stehen sechs schwarze Granittafeln mit den Namen der Toten, einige sind gerade 20 Jahre alt geworden. Die Sonne geht langsam ueber der selbst aus der Ferne so kitschigen orthodoxen Kirche auf dem Huegel ueber der Stadt unter, die Luft wird rosa flimmernd und es ist sehr friedlich. Ich bin sehr froh, dass ich hergekommen bin.

Am naechsten Tag fahre ich morgens mit dem Bus nach Dubrovnik. Ich wollte letztes Jahr so oft herfahren, ich kann gar nicht glauben, dass es dieses Mal klappen soll. Der Busfahrer kommt mir bekannt vor. Ich habe kurz den Eindruck, es koennte derjenige sein, der mich letztes Jahr von Split nach Mostar gefahren hat und mit mir was trinken gehen wollte, dieser hier ist jedenfalls auch kurz davor mir ein aehnliches Angebot zu machen, laesst mich aber dann doch in Ruhe. Im Bus sitzt ausser mir nur ein aelterer Herr. An der Grenze werden wir ewig aufgehalten, weil mein Mitpassagier Medikamente dabei hat, die angeblich in Kroatien verboten sind. Ich halte das fuer eine Massnahme der Grenzer gegen Langeweile, an diesem uebergang passiert bestimmt nie was Spannendes. Dafuer ist der Blick auf die Adria geradezu atemberaubend.

In Dubrovnik muss man vom Busbahnhof mit dem Stadtbus zur Altstadt fahren. Voellig erschoepft komme ich im Hostel an, die Stadt ist schon auf den ersten Blick wunderschoen, aber fuerchterlich ueberfuellt. Ich liege wieder einen Tag flach, irgendwie habe ich mich ein bisschen uebernommen. Am naechsten Tag gehe ich morgens auf den kleinen Markt und es riecht so gut nach Lavendel. Ueberall wird er in kleinen dekorativen Saeckchen verkauft. Ich bleibe stehen und schnuppere in die Luft. Sofort sagt ein Verkaeufer: „You want? My wife make! Good price!“ Ich schaue mir seine Ware kaum einen Bruchteil von einer Sekunde an, da hat er schon die Plastiktuete in der Hand, in die er meinen Einkauf packen will. Sofort suche ich das Weite – aus Prinzip. Ich schaele mich durch die Massen von Tourgruppen mit ihren Reiseleitern, die Regenschirme oder Schilder hochhalten, damit sich die Gruppe nicht verliert. Unter den Arkaden  vor der Orlando-Statue steht eine Musikgruppe – eine junge Frau mit Geige und zwei Maenner mit Gitarre und einer wunderschoenen Querfloete aus schwarzem Holz. Sie spielen barocke Musik, die wunderbar zu der Stadtkulisse passt. Ich setzte mich hinter die Musiker auf den kalten weissen Stein in den Schatten und finde etwas von dem Zauber, der diese Stadt auszeichnet und dessen Ruf ihr vorauseilt. Das Stueck ist zu Ende und es ist, als gaebe es ein lautes Knacken oder das Zersplittern von Glas in meinem Kopf – die Musiker spielen Memories aus Cats, kitschiger geht es kaum. Sicherlich muessen sie die Beduerfnisse der Touristen bedienen, aber mir kommt Dubrovnik in diesem Moment vor wie Disneyland. Ein Spielplatz fuer Erwachsene, und ein Klischee. Sehnsuchtsvoll denke ich an die dalmatinischen Staedte, die ich letztes Jahr ausserhalb der Saison besucht habe. Im April muss es hier wunderbar sein. Weiss die Steine, rot die Daecher, maechtige Stadtmauern und eine fluechtige Erinnerung an Bombennaechte in den Neunzigerjahren – ich schaffe es nicht, das alles aus dem Sumpf von ueberteuerten Restaurants und Unterkuenften, kitschigen Souvenirs und aufdringlichen Verkaeufern herauszuholen. Es bleibt eine vage Ahnung von der Faszination, die Dubrovnik auf viele Besucher ausuebt.
Die Tage in Dubrovnik fliegen auf diese Weise ein bisschen an mir vorbei, ich kann mich nicht ganz auf die Stadt einlassen, ob das an meiner Gesundheit liegt oder nur daran, dass es mir einfach zu touristisch ist, kann ich nicht sagen. Auf dem Weg zum Tourist Office, das mir meinen Shuttle nach Korcula stellt, freue ich mich wahnsinnig auf Ulli und auf ruhige Inseltage.

1 Kommentar

  1. Ha, schön wie immer!

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