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Brückenschläge und Schlagworte

Anekdoten aus Serbien und Herzegovina

Ich fahre im Bus von Kraljevo nach Užice. Der Bus ist ziemlich voll und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten habe ich keinen Fensterplatz. Neben mir sitzt ein irgendwie altersloser Mann mit gegerbtem Gesicht. Vielleicht ist er schon 75. Vielleicht ist er auch erst 50 und hat in seinem Leben viel und schwer gearbeitet und gekaempft. Er hoert, wie ich vom Busfuehrer mein Ticket kaufe und verzieht kaum eine Mine zu meinen broeckeligen Versuchen, serbisch zu sprechen.
Gegen Ende der Fahrt kommt ein junger Mann aus dem vorderen Teil des Busses nach hinten und unterhaelt sich ueber meinen Kopf hinweg angeregt mit meinem Nachbarn. Ich beachte das zunaechst nicht weiter, sondern doese nur gemuetlich vor mich hin. Schliesslich merke ich, dass er ueber mich spricht. Mein Nachbar sagt zu ihm auf serbisch: „Sie versteht dich nicht.“ Ich nicke und bestaetige: „Ich verstehe nicht.“ Aber manche Menschen sind ja hartnaeckig. Ich unterhalte mich schliesslich fast eine Stunde mit dem Kerl auf serbisch. Das beinhaltet von meiner Seite ziemlich viel „Ne razumijem!“ („Ich verstehe nicht!“) und „Šta?“ („Was?“) und mit Sicherheit tausend gruselige Fehler, Kroatismen, Polonismen und Germanismen, aber ich kann ihm irgendwie verstaendlich machen, wer ich bin und was ich hier und zuhause tue. Mein Gespraechspartner, Damir heisst er, ist aber auch sehr geduldig, und es soll sich zeigen warum: Serbien sei kein gutes Land, Arbeit zu finden sei schwer, das Geld sei zu wenig; Deutschland dagegen – ein Land wo Milch und Honig fliessen, er wolle dorthin auswandern, aber man brauche da diese Papiere, und ein deutscher Staatsbuerger muesse fuer einen buergen, und langer Rede kurzer Sinn, ich koenne das doch eigentlich fuer ihn uebernehmen. Praktisch, dass ich mich wieder auf mein „Ne razumijem“ verlassen kann.Ich bleibe schliesslich noch fuenf Tage in Mostar haengen und bin voellig verliebt in die Stadt und ganz Herzegovina. Auch heute morgen kann ich mich kaum dazu durchringen die Stadt zu verlassen ohne mir selbst zu versichern, dass ich wiederkommen werde. Ich muss wieder dorthin, um besser zu begreifen, wie der Konflikt zwischen den verschiedenen Nationalitaeten und Religionen weiter schwelt. Gestern war ich mit zwei Amerikanerinnen in einer ausgebombten Bank in Mostar, die im Krieg als Hort fuer Scharfschuetzen benutzt wurde, im „Snipers‘ Nest“. Die Ruine steht direkt an der Frontlinie. Ueberall liegen rostige Patronenhuelsen, und die kaputten Fensterscheiben sind ueber den Boden verteilt, sogar Moebel und Akten sind noch im ganzen Gebaeude aufzufinden. An den Waenden prangen grosse Grafittis von Unterstuetzern der kroatisch-nationalistischen Szene. Wenn man das Stadtpanorama betrachtet, faellt das grosse Kreuz ins Auge, dass die Kroaten auf einem Berggipfel errichtet haben, von dem aus sie im Krieg dynamitgefuellte Traktorreifen auf die Stadt haben rollen lassen. Das „Snipers‘ Nest“ ist ein symboltraechtiger Ort, er zeigt viel von Geschichte und aktueller Situation in Mostar.

An einem Tag in Mostar fahre ich mit Aasa, einer Kanadierin, die im Hostel arbeitet, zurueck nach Blagaj zur Tekke. Wir wollen auf die dortige Burg klettern. Im Ort fragen wir nach dem Weg, der aeltere Herr im Souvenierladen erwaehnt Stein, ich verstehe aber nicht alles, na gut. Wir kommen an eine Kreuzung, da ist ein Schild: Betreten nur mit Helm und Stahlkappenstiefeln erlaubt. Also den anderen Weg, der schnurgerade nach oben fuehrt, mit Felsbrocken und Kieseln bedeckt ist, steil und und ein bisschen gruselig aussieht. Da liegt ein dickes Drahtseil, wir ziehen uns ein bisschen daran hoch. Oben auf der Burg treffen wir auf eine Horde Bauarbeiter. Die lachen sich tot. Sie sagen: „Aber da drueben ist ein Pfad!“ Wir sagen: „Naja, das wussten wir nicht…“ Wir fragen ob wir trotz Bauarbeiten die Festungsruine anschauen durefen. Ein Bauarbeiter sagt einen langen Satz, am Ende faellt das Wort „…pada!“ Ich sage zu Aasa: „It’s falling down.“ Aasa sagt: „Great!“ Und wir stuermen die Festung. Aasa bemerkt nuechtern: „I just realized how ridiculous it is that we thought we couldn’t take the regular path but decided instead to climb that steep slope that probably every normal person with common sense would recognize without a sign to be too dangerous to be used!“ Der Blick ins Tal ist unbezahlbar und die Bauarbeiter schliessen uns umgehend ins Herz und zeigen uns das ganze Gelaende. Anschliessend verbringen wir zwei stille Stunden in der Tekke. Es ist ein herrlicher herrlicher Tag.

2 Kommentare

  1. marielli, da denkt man als dummer westler, der nciht rational denken kann, dass da überall nur kriegsruinen sind, aber es ist ja sooo schön! trotzdem find ich das komisch, dass du dich grad da an plötzen aufhälst, die ich nur aus den (nagativen) Schlagzeilen kenne (Mostar, Sarajevo usw), um so froher bin ich, dass du mir die Welt erklärst!und…warum hat serbisch so viel mit polnisch zu tun? ich hatte zwe nur 3 stunden, aber nie rozumiem po polsku und sto hab ich uahc schon gelernt 🙂

    • Das sind eben alles slavische Sprachen – aus der gleichen urslavischen Sprachsuppe erwachsen 🙂 Das ist schon toll, man kann in so vielem (mittel-)osteuropäischen Ländern reisen und sich überall verständigen… nur Ungarn, die Türkei und Albanien waren sprachlich schwer auf meiner Reise.

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