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Brückenschläge und Schlagworte

Schlagwort: monastery

The Variety of Home

I am curating a twitter account this week that works by the rotation curation principle. It is called @i_amgermany and a different German or lover of Germany tweets on it every week, changing Sunday nights. Of course that makes me want to write about Germany on here this week, but I don’t exactly have a post in the drawer, and to be honest, taking care of two twitter accounts takes a lot of time.

So truthfully, it is a bit out of lack of time that I am bringing you a photo essay this week. Then again, when I look at the beauty I have to offer in this, I don’t think you will take it too badly. I am trying to show you the variety of what my beautiful home country has to offer, and I hope you will enjoy it as much as I did picking the photos for you.

Of course there are the thriving cities of Germany – Berlin, the largest and the capitol, surely comes first and foremost, but next in size are Hamburg, Munich and Cologne, and they are not to be neglected. All of them are very different, yet charming in their own ways.

Hamburg, Germany

The Speicherstadt, that is, City of Warehouses, shows you how functionality and beauty go together in Hamburg

Munich, Germany

When in Munich, climb up Alter Peter’s church tower – the view will be worth it!!

Cologne, Germany

Cologne’s Cathedral is bound to leave you speechless with its gothic grandeur

But there is also landscapes! I had to cut down to a very small introduction of what Germany has to offer in that department. There’s the North and Baltic Seas in the North, and the Alps in the South, and a whole lot of rivers, mountain ranges, forests, lakes and fields in between.

Lake Constance, Germany

Lake Constance borders Germany, Austria and Switzerland and brings maritime flair to the Southern most part of the country

Schwärzloch, Germany

Very dear to my heart, although I’m usually more fan of flat landscapes, are the rolling hills of Swabia, especially on a beautiful winter day like this

Schlachtensee, Berlin, Germany

Would you have ever guessed that this is… Berlin?! Schlachtensee is a popular day trip destination in the summer

There are the castles that so many people associate with Germany. I have to admit I have never been to Neuschwanstein, the famous one that inspired the Disney castle, but there’s plenty of others worth visiting:

Schwerin, Germany

Castle Schwerin in the North East of the country is a true fairytale place to me

Bayreuth, Germany

The Bayreuth Eremitage in Bavaria is worth a visit too – next to the castle you have a large park with beautiful grottos like this one

And in general there is much architecture to admire. Be it sacral in churches and monasteries or functional in post offices, train stations, hospitals, universities and so many more. Germany is just really pretty. Nothing to argue about that!

Bebenhausen, Germany

Bebenhausen in Southern Germany is one of the prettiest monasteries I have been to

Fulda, Germany

The Fulda cathedral may not be as famous as the one in Cologne, but it surely makes for a beautiful stop right in the heart of the country

Lübeck, Germany

Lübeck with its hanseatic beauty of red brick stone holds a very special place in my heart!

Greifswald, Germany

Would you mind going to school here? This is Greifswald university, right by the Baltic Sea in the North East of the country. I absolutely loved my years as an undergrad student here.

Hohenlychen, Germany

Sometimes the beauty is not taken such great care of. This former hospital complex in Hohenlychen in Brandenburg is slowly left to decay. Such a shame.

Tübingen, Germany

Tübingen, another university town, has charmed everyone I know of. Studying there for my Master’s wasn’t the worst thing that could have happened to me.

I could have and would have wanted to show you so much more, but I had to stick with places I had decent footage of this time around. Time and time again I think that travel in Germany alone could take years and years.

What are your favorite places in Germany? Or your dream destinations? Any places you think are must-sees – or need to be avoided?

Gdańsk – Danzig II

Auf der Schiffsfahrt hinaus zur Halbinsel Westerplatte nachmittags nieselt es und es ist ziemlich kalt. Auf polnisch und deutsch schallen Informationen aus den Lautsprechern, die erklären, an welchen geschichtsträchtigen Orten wir vorbeifahren. Am żuraw, dem Krantor, an der Werft, an zahlreichen Speichern und Kränen, die unseren Weg säumen, der Festung Weichselmündung und dem Weichseldurchbruch vorbei geht es immer weiter, bis wir schließlich anlegen. Durch den Wald hindurch spaziere ich zwischen den zahlreichen anderen Ausflüglern an die Spitze der Halbinsel, an der auf einem Hügel das große Denkmal steht, das an den Ausbruch des zweiten Weltkriegs erinnert. Als „europäischen Erinnerungsort“ feiern es die Reiseführer, und als „obligatorische Station jedes politischen Staatsbesuchs“. Ich fühle mich etwas in mich gekehrt. Der Gedanke, dass dies einmal ein Ort der Sommerfrische war, bevor Militär einzog, dass hier Menschen mit eleganten Kleidern am Ufer flanierten und Kinder in den Wellen spielten, fühlt sich fremd und unwahrscheinlich an.

Das Denkmal ist groß und pompös. Ich bin eher für die stillen Erinnerungsorte, die versuchen, Gefühl zu vermitteln. Der Steinklotz vermittelt nur Härte – aber vielleicht muss das so sein an diesem Ort? Unterhalb des Hügels stehen große weiße Lettern vor dem Wald – „Nigdy więcej wojny“, Nie wieder Krieg. Ich sitze auf dem Sockel des Denkmals mit dem Blick auf die weiten der Ostsee, von wo aus der Angriff auf Polen gekommen sein muss und singe, mal wieder, leise vor mich hin. Reinhard Mey. „Mein dunkles Land der Opfer und der Täter, ich trage einen Teil von deiner Schuld.“ Aber so richtig kann ich nicht begreifen, an was für einem Ort ich mich hier eigentlich befinde.

Die Rückfahrt in die Danziger Innenstadt ist wunderbar, die Sonne ist hervorgekommen und scheint mir ins Gesicht, der Fahrtwind und eine leichte Gischt um meine Nase geben mir das Gefühl, zuhause zu sein – wie in Hamburg. Als das Krantor wieder in Sicht kommt, freue ich mich auf das Hostel und ein bisschen Ruhe. Jedoch, der Abend wird länger als vermutet – als ich ins Bett gehe, wird es draußen schon wieder hell. Es ist phantastisch, wie viele interessante und unterschiedliche Menschen man in Hostels kennen lernt, wie der Kontakt mit diesen Menschen den eigenen Horizont immer und immer wieder erweitert und wie unkompliziert Menschen, die einander bis vor Kurzem fremd waren, anteil aneinander nehmen.

Am nächsten Tag frühstücke ich mit Lea und Vroni in der Mariacka, der Frauengasse. für mich ist es die schönste Straße in der Danziger Innenstadt. Die Häuser haben alle kleine Terassen vor den Eingängen, die Straße ist schmal und bunt von den hübschen Bürgerhäusern und führt vom Wasser direkt auf die Marienkirche zu.


Kleine Schmuckgalerien und Straßenstände mit Bernsteinschmuck säumen das schmale Gässchen mit Kopfsteinpflaster. Hier kann man mit einem Kaffee durchaus die Zeit vergessen. Gerne bliebe ich länger, aber ich habe noch Pläne. Nach einem kurzen Besuch im Günter Grass Museum fahre ich heute nach Oliwa.

Es nieselt. Die Straßenbahn hält nicht dort, wo mir mein Reiseführer empfohlen hat, auszusteigen. Die Kapuze meiner Regenjacke tief ins Gesicht gezogen versuche ich, mich zu orientieren, es klappt nicht. Ich laufe also geradewegs in die Richtung, in der ich die Ostsee vermute, obwohl die eigentlich viel zu weit weg ist, um zu Fuß dorthin zu gehen. Auf der rechten Straßenseite tut sich ein Park auf. Der gefällt mir, da will ich rein – kaum schaue ich in meinem Reiseführer nach, sehe ich, dass ich hier sowieso noch hätte landen wollen. Der Park von Oliwa ist sehr alt und sehr hübsch. Ich bedaure es sehr, dass das Wetter so schlecht ist, ich hätte mich zu gerne auf eine der Bänke gesetzt und die Blumenrabatten, die kleinen Statuen, Seen und Bächlein auf mich wirken lassen. Einer der Bäume tut es mir besonders an.


Ich streichle den weißen alten Stamm. Er fühlt sich warm und sehr lebendig an, dabei sieht er so trocken und geisterhaft aus.

Direkt an den Park anschließend finde ich den Kirchhof der Kathedrale. Oliwa hat eine lange Geschichte als Sitz eines großen Klosters – ein Hort des polnischen Katholizismus und besonders spannend und spannungsreich im Verhältnis zum preußischen, protestantischen Danzig. In seiner Geschichte hat Oliwa mehrmals zu Danzig gehört, um dann wieder eigenständig zu werden. Immer noch muss die Kathedrale wohl ein wichtiger Identifikationspunkt für die Einwohner sein.

Ich stehe noch am Eingang und schalte mein Handy aus, da sehe ich schon, wie voll es in der Kirche ist. Ich hoffe erst auf einen Gottesdienst, aber es kommt fast noch besser. Es spielt jemand Orgel – und was für eine Orgel! Sie ist wunderschön und riesenhaft, mit dunklem Holz und kitschigen Engelchen, die Instrumente halten. Es erklingt die Bach Toccata und Fuge in d-moll (BWV 565). Zu den Höhepunkten beginnen sich an der Orgel vier Zimbelsterne zu drehen, und die Engel bewegen ihre Posaunen und Trompeten auf und ab. Ich finde das ein bisschen amerikanisch, aber der Organist ist wirklich gut und die Stimmung in der unfassbar schmalen, langen, hohen Kirche ganz besonders. Nach dem Stück löst sich die Masse aus ihrer kurzfristigen relativen Verzauberung, und auch ich streife noch ein bisschen durch das Kirchenschiff mit den ungewöhnlichen Maßen. An einer Wand hängt eine Tafel, auf der das Vater Unser auf Kaschubisch steht. Es liest sich lustig, es kommt mir vor als verhielte es sich zu Polnisch in etwa so wie Platt zu Hochdeutsch.

Ich wage mich wieder in den Regen und klettere noch auf den Pachołek, den Pollerhügel. Wenn das Wetter schön ist, muss die Aussicht atemberaubend sein, aber auch so gefällt mir der Blick auf die wolkenumrahmten Hügel und Freudenthal, Dolina Radości. Schließlich laufe ich noch ein ganzes Stück durch die kleinen Oliwaer Straßen, von denen viele mit herrlichen Lindenbäumen gesäumt sind, um die Stelle zu finden, an der das Haus des Professors Hanemann aus Stefans Chwin gleichnamigem Roman (in deutscher Übersetzung: „Tod in Danzig“) stehen soll – kein besonders lohnenswerter Ausflug, dort ist ein Mischgebiet, und das Haus gibt es gar nicht. Durchgefroren und klamm fahre ich wieder in die Innenstadt, ich habe mir wohl eine kleine Erkältung geholt. Im Hostel haben Vroni und Lea schon für mich mitgekocht. Noch ein Abend in ausgelassener Reiseheiterkeit liegt vor mir.

Am nächsten Morgen reicht es nur noch für ein weiteres Frühstück in der Mariacka und schon muss ich wieder zum Bahnhof. Danzig hat sich mir viel eher als Gdańsk erschlossen, ich finde die Stadt erstaunlich wenig deutsch – aber ich bin auch Schlesien gewöhnt, das wenig polnische Geschichte hat und eigentlich fast immer deutsch war, während Danzig tatsächlich auf ein wirres Hin und Her zwischen der deutschen und der polnischen Kultur und Herrschaft in seiner Geschichte zurückblickt. Schon wieder ein Ort, an den ich zurückkehren möchte. Wie gut, dass Danzig nicht weit ist von Berlin. Wenn mich das Fernweh packt, kann ich auch kurzfristig ein paar Tage dorthin fliehen. Mir würde es gefallen, wenn ich das Zuhause-Gefühl, das ich in dieser Stadt hatte, auf diese Weise vertiefen kann. Es gibt dort zumindest noch tausend Dinge zu entdecken.

Veliko Tarnovo / Varna / Burgas

Ich kann mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal mit dem Zug gefahren bin, ich glaube es war zwischen Sarajevo und Mostar. Zwischen Plovdiv und Stara Zagora faehrt ein alter deutscher Regionalexpress. Es ist immer wieder seltsam, in einem fremden Land in einem Zug, Bus oder einer Strassenbahn aus Deutschland zu sitzen. Meistens sind die Schildchen – „Nicht aus dem Fenster lehnen“, „Notbremse nur im Notfall benutzen“, „Waehrend der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen“- unuebersetzt oder nur provisorisch mit bedruckten Aufklebern ueberklebt.
Wie wir es aus dem Regionalexpress von jeher kennen, gibt es auch hier nicht ausreichend Platz fuer Gepaeck. Mein Rucksack ist staendig im Weg und faellt auch immer um. Mein Sitznachbar fragt mich schliesslich „Na gore?“- „Nach oben?“ und zeigt auf ein Gepaecknetz, und ich nicke engagiert. Er guckt verwirrt. „Ne?“- „Nein?“ Ach du meine Guete, das geht hier ja andersrum mit dem Kopfschuetteln und dem Nicken! Ich sage schnell: „Da, da!“ und nicke wieder – ach nein, wieder falsch! und wechsele dann zum Kopfschuetteln. Ich glaube der arme Mann haelt mich fuer ein wenig seltsam, aber mein Rucksack landet schliesslich auf der Ablage. In Stara Zagora muss ich umsteigen, die Zeit ist knapp, ich laufe auf das zweite Gleis und frage einen Schaffner, der da neben dem Zug sitzt: „Veliko Tarnovo?“ Er schuettelt den Kopf und sagt „Tarnovo, da!“ Gott sei Dank ergaenzt er die Geste um die Worte, auf die ich mich immerhin verlassen kann, sonst waere ich sicherlich endgueltig verwirrt am Bahnsteig stehen geblieben.

Veliko Tarnovo ist heiss. Jeder andere Eindruck verschwindet zunaechst hinter den Temparaturen, es sind wohl an die 40 Grad. Trotzdem mache ich mich nachmittags auf, um auf die Festung Tsaravets zu klettern. Sie ist riesig und ausgesprochen gut erhalten.

Am hoechsten Punkt steht eine Kirche, die mich schwer beeindruckt. Sie ist mit Fresken aus den 1980er Jahren geschmueckt. Ich tue mich sonst so schwer mit moderner Kunst, aber die Waende hier sprechen mich wirklich an. Neben christlichen Motiven finden sich wohl auch Bezuege zur bulgarischen Geschichte. Ich kenne mich leider viel zu wenig aus um irgendetwas zuordnen zu koennen, aber das ist nicht so schlimm. Die Figuren sprechen ihre eigene Sprache, mit der sie Leid und Triumph zum Ausdruck bringen. Abends gibt es im Hostel das Fussballspiel gegen Australien. Ich gehe nach dem 4:0 ausgesprochen gutgelaunt zu Bett.
Am naechsten Tag organisiert das Hostel einen kleinen Trip zu einem nahen Kloster, wo wir versuchen, Fresken bestimmten biblischen Geschichten oder mythologischen Figuren zuzuordnen und schliesslich dahinterkommen, dass das grosse Bild an der Klosterwand den Wechsel der Jahreszeiten darstellt. Alles ist hier von aussen ein bisschen heruntergekommen, aber das Innere der Klosterkirche strahlt im ganzen traditionellen Glanz. Anschliessend fahren wir zum Hotnica-Wasserfall. Wir schwimmen im gruenen Wasser des Flusses und springen die zwei oder drei Meter den Wasserfall hinunter. Eine herrliche Erfrischung!

Ich mache mich zwei Tage spaeter fast etwas wehmuetig auf nach Varna – obwohl oder gerade weil ich in Veliko Tarnovo noch lange nicht alles gesehen habe, hat es mir dort ausgesprochen gut gefallen und ich haette noch viel mehr Zeit dort verbringen koennen. Die Kueste lockt jedoch mit ihren etwas kuehleren Temparaturen. Meine Gastgeberin Boyana kommt mich in Varna vom Bus abholen und wir laufen zu ihrem am Rande des Zentrums gelegenen Appartment, das sie mit ihrem Freund Niki teilt. Vom Balkon aus sehe ich schon das Schwarze Meer, da haelt es mich nicht mehr und ich laufe gleich in die Stadt. Ich bin erstaunt ueber die Schoenheit des Zentrums. Es erinnert mich stark an Opatija in Kroatien und hat viel von oesterreich-ungarischem Kurort-Pomp – wie kann das sein? Die Bulgaren haben das von osmanischer Architektur gepraegte Zentrum Ende des 19. Jahrhunderts nach westlichem Vorbild umgebaut – alles fuer die Distanzierung vom „Joch der tuerkischen Herrschaft“. Niki spricht, vielleicht in Ermangelung besserer Englischkenntnisse, sogar von „Slavery“, wenn es um die tuerkische bestimmte Vergangenheit Bulgariens geht.
Und schliesslich erreiche ich durch den Primorski Park, den Park am Meer, den Stadtstrand von Varna und sitze am Ufer des Schwarzen Meeres. Es ist graugruener als das Mittelmeer und mir dadurch sehr vertraut. Wild, aber bestaendig. Aus irgendeinem Grund ist mir seine Endlichkeit sehr bewusst. Am Ufer von Ostsee und Mittelmeer erscheint mir der Horizont in aller Regel unbeschreiblich weit, als kaeme niemals Land dahinter. Hier denke ich unmittelbar daran, dass auf der anderen Seite des Meeres Asien liegt und die Weiten Russlands. Es weht ein leichter Wind, der mir den Kopf frei macht. Das Mittelmeer ist wunderbar, es ist ein Urlaubsmeer zum Schwimmen und Strandliegen. Das Schwarze Meer, wie meine geliebte Ostsee, ist zum Spazierengehen und Horizontgucken. Es bringt mich anders zur Ruhe.

Am naechsten Tag verbringe ich den Morgen am Strand und nachmittags gucken Boyana, Niki und ich das Spiel gegen Serbien, naja, reden wir nicht weiter darueber. Niki geht anschliessend mit mir an den Hafen. Er erklaert mir viel bulgarische Geschichte und wir schauen den Segelschiffen zu, die mit bunten Spinnaker in den Hafen einlaufen.

Die naechste Station heisst Burgas. Es ist eın beschauliches Staedtchen mit Kuestenflair, in dem ich zwei ruhige Tage mit viel Fussball und guten Gespraechen mit meiner Gastgeberin Dora und ihrer Cousine Galina verbringe. Von dort bin ich heute nacht nach Istanbul gereist, das einen eigenen Blog verdient. Es ist bislang noch unbeschreiblich. Mein Bild muss sich erst noch festigen. Soviel vorweg: Ich finde es phantastisch.

Mavrovo / Skopje / Štip / Kloster Rila / Plovdiv

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Von Ohrid aus moechte ich eigentlich ueber den Sueden Mazedoniens in Richtung Bulgarien reisen, aber ich finde keine Couchsurfer, es gibt keine Hostels und die Verbindungen mit Bus und Bahn sind fast unmoeglich herauszufinden. Kurz bin ich mal so richtig genervt. Ich habe das Hostel schon bezahlt und mein Zimmer geraeumt und weiss noch immer nicht wo ich als naechstes hin soll. Von einer Minute auf die andere entscheide ich dann, ueber das Kloster Bigorski im Mavrovo Nationalpark nach Skopje zu fahren.
Ach, der Transport hier unten… Diese Route bedeutet ein Taxi von Ohrid nach Struga, einen Furgon von Struga nach Debar und noch ein Taxi von dort zum Kloster. Der Furgonfahrer ist auch wieder ein bisschen aufdringlich und erzaehlt mir eine halbe Stunde lang wie huebsch ich bin. Langsam gewoehne ich mich ja fast an Avancen von uebergewichtigen Mittfuenfzigern und kuemmere mich schon gar nicht mehr richtig darum. Vielmehr geniesse ich den Blick auf die wunderbare Landschaft vom Mavrovo-Nationalpark. Mir war gar nicht klar, dass wir da durchfahren – und ploetzlich finde ich mich inmitten einer der schoensten Landschaften meiner Reise wieder. Gruene Huegel, tiefe Schluchten, und unter uns im Tal die Radika, ein Fluss von einer sensationell blauen Farbe. 

Das Kloster Jovan Bigorski hat zwar eine herrliche Ikonostase mit wunderschoenen Schnitzereien – da der Grossteil der Gebaeude aber vor wenigen Jahren niedergebrannt ist, ist das ganze Gelaende eine grosse Baustelle und von stiller Klosteratmosphaere ist wenig zu spueren. Umso froher bin ich um die Fahrt vom Kloster nach Skopje, die weiter durch Mavrovo fuehrt. In der Abendsonne sind die dichtbewaldeten Huegel noch gruener und die Radika noch blauer.

In Skopje couchsurfe ich wieder – das erste Mal seit Serbien. Meine Gastgeberin Mariska holt mich vom Busbahnhof ab. Sie kommt aus den Niederlanden und macht in Skopje einen Europaeischen Freiwilligendienst – sofort fuehle ich mich an meinen eigenen EFD in Polen erinnert. Mariska teilt die Wohnung mit zwei Slowaken. Ueberall an den Waenden haengen Post-its mit mazedonischen Vokabeln und grosse Flipcharts mit Projektplanungen. In Ohrid stand mir das Couchsurfen etwas bevor, ich war doch sehr ans Hosteln und die staendige Gesellschaft anderer Reisender gewoehnt. Kaum mache ich es mir aber auf Mariskas Couch bequem bin ich wieder vollkommen begeistert von der Gastfreundschaft und dem Erfahrungsreichtum, den diese Internetgemeinschaft ermoeglicht.
In Skopje ist es heiss. Ich verbringe den ersten Vormittag hauptsaechlich damit, die Fussgaengerzone auf und ab zu schlendern, Kaffee zu trinken, Eis zu essen und Leute zu beobachten. Ich sitze dazu lange auf einer Parkbank neben dem Mutter-Theresa-Haus – die ist hier geboren und allgegenwaertig mit kleinen Denkmaelern und in Informationsbroschueren. Nachmittags treffe ich Mariska und sie zeigt mir das tuerkische Viertel, die Čaršija, und wir klettern auf die verwilderte Burg Kale und schauen uns den Sonnenuntergang an. 

Skopje ist lebendig und energiegeladen. Dass es nicht besonders huebsch ist, macht ueberhaupt nichts, ich fuehle mich wohl. Zum Beispiel am Parlament – ein unglaublich haesslicher sozialistischer Bau, aber davor wehen, ich habe gezaehlt, 25 mazedonische Flaggen am Strassenrand. Die gelbe Sonne auf rotem Grund gibt dem Ort ein froehliches und stolzes Flair.
Skopje ist deswegen so gezeichnet von sozialistischer Architektur, weil es in den 1960er Jahren bei einem Erdbeben weitgehend zerstoert worden ist. Nun baut sich die Stadt ihre Geschichte neu, ueberall entstehen Gebaeude, die alt aussehen, es aber nicht sind. Am Anfang der zentralen Bruecke ueber den Vardar stehen gewaltige Statuen von Goce Delčev und Dame Gruev, zwei mazedonischen Freiheitskaempfern. Sie sind monumental und sehen aus als seien sie mindestens hundert Jahre alt – aber tataeachlich stehen sie dort erst seit zwei Monaten. Ich nehme an, dass Mazedonien als ein Land, das eigentlich keine Geschichte als selbststaendiger Staat hat, solche Dinge braucht, um sich selbst zu definieren. Es ist ja ein zutiefst zerrissenes Land, das Konflikte mit allen angrenzenden Staaten hat. Mit den sonst so schwierigen Serben sind die Beziehungen noch am besten – Albanien, Griechenland und Bulgarien haben alle ein aeusserst gespaltenes Verhaeltnis zu dem kleinen Nachbarn.
Am Abend gehen Mariska, ihre Mitbewohner und ich zum MakeDox Dokumentarfilmfestival und schauen einen Film ueber Mostar, der mich nur einmal mehr daran erinnert, wie tief sich diese Stadt in meinem Herzen verankert hat. Anschliessend uebersiedeln wir auf den Hauptmarkt, dort ist Strassenfest und herrliche Musik von einer italienischen Band mit einer E-Geige, einem Sopransaxophon, Gitarre und Bass – irgendwo zwischen Klezmer, Ethnic, Balkanfolk und Ska. Wir tanzen mit fremden Menschen bis nachts um 2.

Am naechsten Morgen fahre ich mit dem Bus nach Štip und treffe dort meinen Gastgeber Dejan. Wir versuchen meine weitere Route zu planen und es stellt sich heraus, dass der Bus nach Bulgarien, den ich nehmen will, nur nachts um 11 faehrt. Daher schlafe ich nur nachmittags 2 Stunden auf Dejans Couch und verbringe keine ganze Nacht in Štip. Die Stadt ist aber auch wirklich nicht sehr spannend – dafuer die Gespraeche mit Dejan umso mehr. Er hat nur ein Bein, faehrt aber gerade in Etappen mit dem Fahrrad um die Welt, Europa, Asien und Suedamerika hat er schon abgehakt. Wir schnacken so die Zeit davon und abends bringt er mich dann zum Bus.

Der Grenzuebergang nach Bulgarien ist definitiv ein EU-Grenzuebergang. Das erste Mal auf der Reise muss mein Gepaeck oeffnen, sie wollen viermal meinen Pass sehen und das ganze nachts um 2 mitten im Nirgendwo auf einem Bergpass. Mir ist kalt und ich bin muede. Trotzdem beschaeftigt mich am meisten, wie das Ganze die Mazedonier nerven muss. Jahrelang war der Grenzverkehr hier sicher voellig unspektakulaer, und dann brauchten die Mazedonier zwischen 2007 und Anfang des laufenden Jahres ploetzlich sogar Visa fuer Bulgarien!
Ich lande nachts um 4 in Blagoevgrad, wickele mich am Busbahnhof in meinen Schlafsack und doese zwei Stunden vor mich hin. Um 6 stehe ich auf und suche lange nach einem Geldautomaten und dem richtigen Busbahnhof. Schliesslich kriege ich um 7 einen Bus nach Rila und von dort aus einen zweiten zum Kloster Rila.
Rila ist ein friedlicher, ein zauberhafter Ort. Die Sonne scheint so schoen auf die herrliche Klosterkirche und die angrenzenden Klostergebaeude, und die bewaldeten Huegel des Rilagebirges sind voller Vogelgesang. 

Der Bergfluss donnert am Kloster vorbei ins Tal. Es ist so friedlich, dass einem die Geraeusche der Natur wie Laerm vorkommen – aber ein herrlicher Laerm! Ich beziehe fuer eine Nacht eine Zelle mit einer Pritsche, einem Waschbecken mit kaltem Wasser und einer geschnitzten und bemalten Holzdecke, die dem kargen Zimmerchen eine einfache Schoenheit verleiht, wie sie vielleicht nur einem Kloster angemessen ist. Ich wandere ein bisschen um das Kloster herum, verbringe eine lange Zeit in der Kirche und singe schliesslich eine Weile am Ufer des Flusses, in dessen eiskaltes Wasser ich natuerlich auch meine Fuesse hineinhalte. Um 7 gehe ich schlafen.

Ich erreiche Plovdiv am naechsten Nachmittag, und das erste Mal auf der Reise moechte ich am liebsten rueckwaerts wieder zurueck in den Bus fallen, der so schoen kuehl ist mit der Klimaanlage – es ist wahnsinnig heiss. Ich esse ein Eis und treffe meinen Gastgeber Ivan an der Hauptpost. Wir fahren zu ihm und seiner Freundin Nelly nach hause, gehen abends essen und haben einen sehr entspannten Abend.
Am naechsten Morgen laufe ich in die Stadt. Ivan und Nelly halten mich fuer verrueckt, weil ich ankuendige, vermutlich den ganzen Tag ausser Haus zu sein, trotz der Hitze. 

In der Tat suche ich mir zwischen antikem Amphitheater, den wunderbaren Gebaeuden in der Altstadt aus der Zeit der Bulgarischen Nationalen Wiedergeburt im 19. Jahrhundert und der Fussgaengerzone haeufig ein schattiges Plaetzchen, um ein paar Minuten auszuruhen, und nachmittags gehe ich Klamotten einkaufen und schaue in einem Irish Pub Weltmeisterschaft. Anders ist die Hitze einfach nicht zu ertragen.

Ich kann grundsaetzlich nicht bestaetigen, dass die Bulgaren alle grummelig und unfreundlich sind. In einem Internetcafe in Plovdiv lasse ich meine Wasserflasche stehen und ein Maedchen kommt mir, trotz 35 Grad, zwei Kreuzungen hinterhergelaufen um sie mir nachzutragen. Der Busfahrer zwischen dem Kloster in Rila und dem Dorf hilft mir, den schnellsten Weg nach Plovdiv herauszufinden und bewahrt mich so vor 4 Stunden Wartezeit in Blagoevgrad. Das Land kommt mir ansonsten westeuropaeischer vor, vor allem was die Standards im Transportwesen betrifft. Ich bin sehr gespannt auf die Kueste, die sicher deutlich touristischer sein wird. Vor allem freue ich mich auf das Schwarze Meer. Ich habe ja eine besondere Beziehung zur Ostsee, und das Mittelmeer ist mir auch so vertraut. Wie wohl diese neue Kueste mit ihren neuen Horizonten auf mich wirken wird?

Saranda / Ionische Kueste / Korfu / Ohrid

Von Berat aus nehmen Steve und ich in aller Herrgottsfruehe den Bus nach Saranda. Es wird immer heisser und die Landschaft immer karger, deswegen ist die fruehe Stunde kein Nachteil. In Saranda an der Bushaltestelle, die durch kein Schild und keinen Hinweis gekennzeichnet ist und eigentlich nur aus einer grossen Ansammlung von Bussen besteht, stuerzen sich die Leute mit Angeboten fuer Unterkuenfte auf uns. Wir entscheiden uns trotzdem fuer das Hostel, um dort Internet und Reisetipps nutzen zu koennen.

Das Hostel liegt im 8 Stock eines grossen Appartmentblocks mit herrlichem Blick auf die Bucht von Saranda und auf Korfu. Es haelt uns nicht lange dort, wir gehen gleich schwimmen und schlendern durch das Staedtchen. Es ist nicht gerade huebsch, vielmehr kommt es sehr touristisch daher und am Hang stehen tonnenweise halbfertige Gebaeude. Mit dem Fall des Kommunismus musste man auf einem Stueck Land bauen, um es fuer sich in Anspruch zu nehmen. Viele Leute haben damals ein qualitativ minderwertiges Fundament auf den Hang gesetzt und niemals fertig gebaut. Die schiere Menge an Haeuserskeletten steht in krassem Kontrast zu den aufbluehenden Strandbars und hippen Restaurants an der Promenade. Der Tourismus kommt im grossen Schritten auf dieses Land zu.

Ausser uns ist mit Noveed aus den USA nur noch ein weiterer Gast im Hostel, die Saison ist noch nicht richtig losgegangen. Am Morgen fahren wir zu dritt nach Butrint, um die Quote an UNESCO Weltkulturerbe-Staetten hoch zu halten. Die antike Stadt hat roemische, venezianische und osmanische Ruinen zu bieten – ein herrliches Amphitheater, eine Basilika, ein Kastell auf dem Berggipfel. Die Gelder fuer eine vernuenftige Restaurierung fehlen, alles ist ein bisschen ungepflegt. Das kenne ich aus Griechenland anders. Dafuer kenne ich aus Griechenland aber auch, dass man keinen Tempel betreten darf und ueberall nur auf den ausgeschilderten Wegen laufen darf. Hier koennen wir nach Herzenslust herumklettern. Auch das wird sich sicher bald aendern.

 
Auf dem Weg zurueck nach Saranda halten wir in Ksamil, der Strand soll sehr schoen sein – aber es sind uns schon anderswo schoene Straende versprochen worden, die dann nur mittelmaessig waren. Umso groesser ist die Ueberraschung:

Ein traumhafter kleiner Kiesstrand mit netten Restaurants und drei kleine Inseln, die man schwimmend erreichen kann. Das Wasser ist glasklar und von einem hellen tuerkisblau wie es mir noch nie untergekommen ist. Abends machen wir alle drei bei Annette, der das Hostel gehoert, eine Sitzung Akkupunktur – entspannter geht es einfach nicht.

Fuer den naechsten Tag haben Steve und ich ein Auto gemietet und fahren die ionische Kueste hoch. Ein herrlicher Strand jagt den naechsten. Wir springen fast ueberall kurz ins blaue Mittelmeer und machen auf der Kuestenstrasse staendig halt, um die herrliche Landschaft zu photographieren. Kuehe am Strand und Ziegen auf der Hauptstrasse machen das Flair malerisch und urspruenglich, wir finden eine verlassene Festung und essen herrlichen Fisch zum Mittagessen am Strand, es wird einfach immer besser. Das aendert sich auch nicht, als wir nachmittags das uns gesteckte Ziel erreichen: den Strand von Drymades. Der Lonely Planet schickt uns auf eine „dirt road“ – aber die gibt es nicht mehr, alles ist frisch asphaltiert, wir muessen die „dirt road“ um wenige Wochen verpasst haben. Deswegen wird die Idylle, die wir erleben, auch nicht mehr lange anhalten. Wir finden voellig verlassene grosse Buchten mit herrlichen Ausblicken auf die Weiten des Meeres. Wir breiten unsere Schlafsaecke unter einem Felsvorsprung aus, Steve macht Feuer, wir haben eine Flasche Wein, die Sonne geht unter, die Sterne zeigen sich. Es ist definitiv eines der Highlights meiner Reise.

Morgens bringen wir das Auto zurueck nach Saranda und nehmen die Faehre nach Korfu. Die drei Tage, die folgen, sind ein Urlaub vom Urlaub: Strand, Sonne, gutes Essen und das ein oder andere Bier in einem Hostel, dessen Anlage eher an Cluburlaub erinnert. Ich habe diese Art von Entspannung dringend noetig und geniesse es in vollen Zuegen.

Der Abschied von Korfu ist auch der Abschied von Steve, der ueber Athen weiter zu den griechischen Inseln in der Aegeis reist. Ich habe mich sehr an ihn gewoehnt und muss mich nun erstmal wieder ins Alleinsein hineinfinden. Die Fahrt nach Ohrid hilft dabei nicht: Ich soll morgens um halb 6 einen Bus in Saranda nach Korca bekommen, der nicht faehrt. Ein Taxifahrer bringt mich fuer ein horrendes Geld nach Gjirokaster, von wo aus der Bus angeblich fahren soll – das stimmt natuerlich auch nicht. Ich bin fast am Verzweifeln, bekomme dann aber einen Bus in ueber Fier Richtung Tirana, der mich irgendwo in der Wallachei bei einem Furgon (einem Minivan, den die Leute hier privat als Bus betreiben) absetzt, welcher mich wiederum nach Elbasan bringt. Von Elbasan bringt mich ein weiterer Furgon an die Grenze zu Mazedonien. Ich muss ueber die Grenze laufen, das ist ziemlich skurril. Auf der anderen Seite erwische ich wieder ein Taxi nach Ohrid. Ich mache drei Kreuze, als ich endlich ankomme, und gehe erstmal schlafen. Wer die Reise auf der Karte nachschaut, wird die absurde Kurve entdecken, die ich da gefahren bin. Aber was lehrt es mich? Man kommt immer irgendwie an.

Ohrid ist ein wunderschoenes Fleckchen Erde. Von der Festung aus ist der Blick ueber den Ohrid-See, das antike Amphitheater und die zahlreichen Kirchen und Kirchlein unfassbar. Die Kirchen gefallen mir am besten. Sie haben eine ganz eigene Architektur mit vielen Kuppeln und Backstein und sind alle mit wunderbaren Wandmalereien geschmueckt. Fast immer stehen die Heiligenbilder vor dunkelblauem Grund, der einen tiefen, unendlichen Nachthimmel suggeriert.

Die Kirche Sveti Jovan Kaneo ist winzig klein und steht auf einem hohen Kliff ueber dem See. Ich zuende dort zwei Kerzen an und muss ploetzlich, kniend auf dem nackten Steinfussboden, bitterlich weinen. Etwas in meinem tiefsten Innern ist angeruehrt von diesem Ort. Ich klettere ueber die hohe Tuerschwelle aus der Nachtstimmung ins Tageslicht zurueck und vor mir liegt in seiner ganzen Schoenheit der See. Es ist bewoelkt in Ohrid, aber auf dem gegenueberliegenden Ufer ueber Albanien funkelt die Sonne. Dankbarkeit durchflutet mich. Nachmittags gehen wir mit einer Menge anderer Reisender aus dem Hostel schwimmen. Wir klettern unmoegliche Wege in eine kleine geheime Bucht hinunter. Das Wasser ist kalt, aber angenehm.

Es giesst in Stroemen, als ich am naechsten Morgen den Bus zum Kloster Sveti Naum nehme. Der Klosterhof ist von sicherlich um die 15 Pfauen bevoelkert, wie ich lerne symbolisieren sie den byzantinischen Glauben. Ich habe noch nie so gepflegte, stolze Pfauen gesehen. Sie wissen sicher um ihre Schoenheit, jedenfalls machen sie einen dementsprechenden Laerm. Das ist skurril, wenn man in der Klosterkirche steht und die Fresken bewundert. Ich sitze lange in der Exedra der Klosterkirche und denke nach. Ich finde langsam wieder zum Alleinsein zurueck. Mir wird klar, dass es mir in Gesellschaft nicht so vorkam, als wuerde ich mich viel und staendig bewegen, weil es eine Konstante in meinem Reisealltag gab. Jetzt strengt mich die viele Bewegung wieder mehr an, aber sie bringt mich auch zurueck zum kribbelnden Aufgeregtsein, wenn es an einen neuen Ort geht. So hat alles seine Zeit, die Geselligkeit und die Einsamkeit, die Unruhe und die Stille.

Vukovar / Novi Sad / Belgrad / Novi Pazar / Višegrad

Aus Sarajevo geht mein Zug morgens ganz frueh nach Vukovar. Ich bin noch so erschlagen von den vielen Eindruecken, dass mir so ein ganzer Tag in Zuegen und Bussen ganz gut zupass kommt. In Vukovar dauert die Suche nach einer Unterkunft eine Weile, und mein Rucksack wird immer schwerer, und der Himmel immer grauer, und die Stadt ist von einer eindrucksvollen Mischung aus Traurigkeit und Lebensfreude gepraegt – traurig die Haeuserskelette, die Einschussloecher an fast jedem Gebaeude, der Blick durch leere Fensterrahmen in zerstoerte Raeume, in denen die Tapete an den Waenden noch zu erkennen ist; lebensfroh die Menschen, die in schicken kleinen Laeden Kaffee trinken und sehr hilfsbereit und gut gelaunt sind, wenn ich nach dem Weg frage. Ich denke an Erich Kaestners „Das fliegende Klassenzimmer“ und das schoene Zitat: „Das waere doch gelacht, dachte Jonathan Trotz, wenn das Leben nicht schoen waere.“ So kommen mir die Menschen hier vor. In Bosnien war das ganz aehnlich.

Nach der Nacht in Vukovar reise ich weiter nach Novi Sad. Die Passkontrollen sind jetzt langsam Routine geworden und nicht mehr so aufregend. Ich finde es jetzt eher bemerkenswert, wie einfach das alles geht und wie schnell. Die serbische Polizistin guckt nur ein bisschen komisch, aber vermutlich ist ihr Grenzuebergang einfach nicht der touristisch frequentierteste. In Novi Sad finde ich schon wieder nicht gleich den Weg, ich fahre einmal mit dem Bus um die ganze Stadt herum. Nun gut, da hab ich wenigstens schonmal ein bisschen was gesehen. Es giesst in Stroemen, die Strasse, in der mein Gastgeber Lazar wohnt, steht voellig unter Wasser, ich muss durch verschiedene Vorgaerten klettern. Einmal angekommen bekomme ich aber Kaffee und Musik und nette Gesellschaft. Ich sitze mit drei Serben und einer Bulgarin bis nachts um 4 beim Rotwein. Ich singe ein bisschen was aus unserem Volksliedprogramm und sowohl mein Kroatisch als auch mein Bulgarisch sind angeblich nahezu akzentfrei. Das beschraenkt sich sicherlich auf die Lieder, aber es ist schoen zu wissen, dass die Anlagen fuer die Sprachen anscheinend vorhanden sind.
Am naechsten Tag erkunde ich Novi Sad. Die Stadt erinnert tatsaechlich wieder mehr an Ungarn, wie es hier in der Vojvodina ja auch zu erwarten ist. Das Wetter ist wunderbar und die Strassen sind voller Musik, ich hoere aus verschiedenen Haeusern Menschen Klavier und Gesang ueben. Die grosse Synagoge fasziniert mich besonders. Nachmittags lasse ich mir in einem alterntiv/hippen Laden, wie er auch in Berlin in Friedrichshain zu finden waere, die Haare schneiden. Der gute Mann schnippelt liebevoll anderthalb Stunden an meinem Kopf herum und unterhaelt mich dabei auch noch glaenzend, so lange war ich glaube ich noch nie beim Friseur, und am Ende zahle ich nur laecherliche 9 Euro. Anschliessend klettere ich auch auf das Schloss hoch. Die Sonne scheint, ich trinke einen Kaffee und fuehle mich langsam etwas erholt.

Der naechste Tag ist aber schon wieder so aufregend: Morgens frueh brechen wir auf zu einer Wanderung im Fruška Gora Nationalpark. Ein herrlicher tiefer gruener Wald und Hoehenunterschiede von bis zu 300 Metern zwischen den Stationen machen das ganze Projekt ziemlich anspruchsvoll – an diese Stellen komme ich aber nicht, weil es nach 10 Kilometern anfaengt zu regnen und ich mich einem Maedchen anschliesse, das in die Stadt zuruecktrampen will. Abends kommen wieder verschiedenste Nationalitaeten in Lazars Wohnung zusammen: Serbien, Schweden, Frankreich und Russland sind vertreten, und wir singen wieder bis nachts um 3.

Langsam gehen meine Energie-Reserven zur Neige, und deswegen ist es genau das Richtige fuer mich, was mich in Belgrad erwartet: eine entzueckende Gastgeberin mit einer gemuetlichen Wohnung, in der meine Schlafcouch vor dem Fernseher steht, dazu herrliches Wetter fuer entspannte Spaziergaenge durch die weisse Stadt. Wir schlafen abends frueh ein und wachen morgens spaet auf. Saška verbietet mir, Geschirr zu spuelen oder ihr beim Kochen zu helfen, das ist serbische Gastfreundlichkeit. Mir ist das ein bisschen unangenehm, aber da ich gegen ihre Bestimmtheit ohnehin keine Chance habe, kann ich es auch einfach geniessen.
Belgrad ist eine richtige Grossstadt und hat als solche viel zu bieten, und es macht Spass, sich von Saškas Begeisterung anstecken zu lassen. Sie ist sehr stolz auf ihre Stadt und ihr Land. Wir sitzen lange auf der Schlossmauer mit einem herrlichen Blick auf Donau und Sava.


Hier sitzen wir und sprechen ewig – über Kosovo. Dabei macht sich bemerkbar, dass es sich bei Politik in Serbien tatsaechlich um ein viel komplizierteres Thema handelt als in jedem anderen Land, in dem ich jemals war. Besonders die Kosovo-Frage ist heikel, und Diskussionen darueber gestalten sich schwierig, denn ich habe kein historisches und politisches Vorwissen, was die ganze Angelegenheit angeht. Schon in Novi Sad treffe ich auf Betroffenheit und Unverstaendnis, was Kosovos Unabhaengigkeit betrifft, und es scheint, dass das Land diesen Zug Kosovos niemals akzeptieren wird. Es geht dabei viel um serbisches kulturelles Erbe in der Region Kosovo und um die schlechte Behandlung der Serben durch die Albaner. Das Unrecht, dass die Serben ausgeuebt haben, wird eingeraeumt, aber schnell dadurch relativiert, dass die andere Seite auch verbrecherisch gehandelt hat. Ein besonderes Schuldbewusstsein ist nicht da. Mit meinem deutschen Hintergrund, der mir die kollektive Nationalverantwortung fuer die Verbrechen des Holocausts auf so vielfaeltige Weise eingetrichtert hat, ist mir das sehr fremd. Das Nationalbewusstsein ist hier einfach ganz anders. Das zeigt sich in vielfaeltiger Form: Ich mache in Belgrad auch Photos von den Regierungsgebaeuden, aber ein Polizist kommt auf uns zu und erklaert, dass Photographieren hier verboten ist und ich muss das Bild wieder loeschen. Ich bin jetzt ehrlich umso gespannter auf Kosovo, denn mich interessiert doch vor allem, was die Menschen zur Unabhaengigkeit sagen, die da leben.

Nach Belgrad steht Novi Pazar auf dem Programm. Ich finde es relativ unspektakulaer dafuer, dass so viel Wirbel um den grossen tuerkischen Einfluss und die lebendige islamische Kultur dort gemacht wird. Mir faellt nur auf, dass Maedchen mit Kopftuch eher unter sich zu bleiben scheinen und Maedchen ohne Kopftuch auch. In Sarajevo kam mir das gemischter vor, aber vielleicht erwarte ich auch nur Segregation in Serbien und sehe deswegen Gespenster?
Von Novi Pazar fahre ich nach Studenica zum Kloster. Die Kapelle ist eine der schoensten, die ich je gesehen habe.

Dorthin zu gelangen ist auch nicht ohne, oeffentlicher Nahverkehr ahoi, ein Auto waere hier wirklich praktischer. Dafuer ist es nicht ueberlaufen, sondern einfach huebsch. Die Nacht verbringe ich in Užice bei einer Couchsurferin, abends gehen wir zu einem kleinen lokalen Filmfestival und sehen einen Film ueber Militaerkoeche seit dem Zweiten Weltkrieg, hochinteressant!

Und schon wieder weiter, zurueck nach Bosnien. Heute Višegrad – und ich kann es genau so einrichten, wie ich gerne wollte: Ich sitze auf der Bruecke ueber die Drina auf der Kapia (wer das Buch kennt, weiss, was das ist) und lese die letzten Seiten in Ivo Andrićs Meisterwerk. Die Stadt ist klein und beschaulich, nicht besonders huebsch, aber die Bruecke ist gigantisch sowohl im Ausmass als auch betreffs der Schoenheit, und die Drina ist gruen und maechtig.

Anschliessend mache ich Station in Sarajevo bevor es zurueck nach Mostar geht, wo ich mich nochmal zwei Tage erholen werde. Ich freue mich schon auf das Hostelpersonal und die Stadt. Danach steht Dubrovnik auf dem Programm, ich muss jetzt auch mal wieder an die Kueste und frischen Seewind atmen und schwimmen gehen und braun werden, um die Batterien aufzuladen.

Kecskemét, Pécs, Veszprém, Balaton

An meinem letzten Morgen in Budapest gehe ich lange auf der Margareteninsel spazieren. Am Ufer entlang flanierend höre ich plötzlich so eine Klopfen, ein bisschen wie von einem Specht. Ich schaue hinter die Straeucher am Weg und da ist ein riesiges Gehege mit Störchen, die mit den Schnaebeln klappern. Ich habe noch nie so viele Störche auf einmal gesehen. Schöne Tiere. Überhaupt erlebe ich in diesem Land viel Friedlichkeit. Von der Margareteninsel gehe ich zurück zum Szabadság tér, den ich schon am ersten Tag so mochte – es muss am Namen liegen, es ist der Platz der Freiheit, wie ich nun weiss. Dort sitze ich lange in der Sonne und gucke Kindern auf dem Spielplatz zu. Es ist herrlich, für so etwas Zeit zu haben.
Die Zugfahrt nach Kecskemét ist unaufregend. Ich fahre dort übrigens hin, weil Mami bei der Reiseplanung immer dieses Brahmslied gesungen hat: „Schönstes Staedtchen im Alföld ist Kecskemét!“ Ich lerne dann von meinem Gastgeber Dániel, dass Alföld auf ungarisch so etwas wie Tiefebene heisst. Die Stadt ist sehr hübsch und sehr klein, das Glockenspiel am Art-Nouvaeu-Rathaus spielt ein Stück aus der Zauberflöte und die Sonne scheint.

Am zweiten Tag fahren Dániel und ich mit einem Freund von Dániel in einem 30 Jahre alten Opel Kadett in den Kiskunság Nationalpark. Hier geht es mir zum ersten Mal so wie an vielen Orten danach in Ungarn: Ich bin zuerst nur maessig begeistert und plötzlich wird es wunderschön und übertrifft meine Erwartungen. Der Blick von dem Kirchhügel in dem kleinen Dorf beim Park über die Tiefebene, und die Sonne, die postkartenkitschig blutrot zwischen den dunkelgrauen Wolken hindurchscheint, diese Weite – es ist wunderschön und ein bisschen wie in Norddeutschland mit dem platten Land. Wir laufen 4 1/2 Stunden durch den Park – ganz beabsichtigt ist das nicht, wir verlaufen uns zwischendurch ein bisschen. Aber umso besser schmeckt die Palinka, der Schnaps, nach der Rückkehr nach hause. Abends gehen wir mit vielen Leuten etwas trinken und ich lerne, dass man in Ungarn die Begrüssungsküsschen von rechts nach links gibt – sehr verwirrend!

Am naechsten Tag geht es in aller Frühe nach Pécs. Langsam brauche ich mal eine Pause von der vielen Gesellschaft und Zeit um über all die neuen Eindrücke nachzudenken. Ich erkunde die Stadt allein. Sie ist Kulturhauptstadt 2010, aber nichts ist fertiggeworden, alles ist Baustelle. Das ist sehr schade, man merkt, dass es eine wunderbare Stadt ist. Die Moscheekirche auf dem Hauptplatz und die Kathedrale haben es mir besonders angetan. In der Kathedrale gehe ich am Ostersonntag morgens in den Kindergottesdienst. Er ist sehr stimmungsvoll. 
Am Ostermontag fahren mein Gastgeber Zsolt und ich mit einer Freundin von ihm in ein Dorf in der Naehe von Pécs und gucken uns dort die traditionellen Ostertaenze an – mit Trachten und Blaskapelle, es ist wirklich süss. In Deutschland kaeme es mir nicht so hübsch vor, sondern ein bisschen albern, befürchte ich.
Nachmittags fahre ich nach Siófok an den Balaton. Das Wetter ist jetzt grauslig, es giesst in Strömen. In Siófok habe ich ein Pensionszimmer, ich bleibe dort und mache mir einen ruhigen Nachmittag mit, oh Schreck, deutschem Fernsehen. Wir haben alle unsere Laster… Der Ort macht vom Bus aus ohnehin keinen netten Eindruck, sondern wirkt wie eine Ansammlung einer beliebigen Menge von Kreisverkehren unterschiedlicher Grösse. Am naechsten morgen gehe ich zum Faehranleger – hier zeigt Siófok seine touristische Seite, aber am Strand stehen auch ein paar hübsche herrschaftliche Gebaeude. Es weht und windet, der See schlaegt hohe Wellen, ich verstehe ein bisschen, warum sie ihn das „ungarische Meer“ nennen. Die Faehre geht im April nur am Wochenende. Ich fahre also mit dem Bus nach Veszprém.
In Veszprém komme ich bei einer Familie mit drei Kindern im Altern von 1 1/2, 5 und 8 Jahren unter. Vater Gabor ist Übersetzer und spricht sehr gut englisch, Mutter Judit spricht ein bisschen deutsch. Es ist ein Abenteuer, und ich finde es wunderbar. Nach meiner Stadterkundung – Veszprém hat einen hübschen Schlossberg und liegt sehr malerisch am Hang – gibt es abends ein grosses Abendessen und anschliessend spiele ich mit Gabor und den beiden grossen Kindern Carcassonne. Der Kleine ist schon im Bett, aber meine Güte, so ein süsses Kind! Am naechsten Morgen beim Frühstück gibt er mir sogar ein Küsschen, einfach so. Mir geht das Herz auf!
Ich erkunde von Veszprém aus auch Keszthely (sprich „Kaest-hej“ – oh, diese Sprache!!!) mit seinem habsburgischen Schloss, Balatonfüred mit seiner herrlichen Uferpromenade und dem Schick eines Kurorts – es gibt hier auch Heilquellen – und Tihany, das auf der gleichnamigen Halbinsel auf einem Berg über dem Balaton thront und mir einen herrlichen Panoramablick eröffnet.
Ich sitze lange auf der Mauer der Klosterkirche und lese. Als ich mich umdrehe, ist der Schatten des Berges unten über das Ufer der Halbinsel hinaus auf den See gekrochen und man sieht die Silhouette der zwei Kirchtürme auf dem Wasser. Auf der Busfahrt zurück nach Veszprém geht die Sonne unter. Der See hat tausend verschiedene Farben, in Siófok war er grau, in Balatonfüred nachmittags war er von einem hellen Grüngrau, von Tihany oben war er blau und silbern und im Sonnenuntergang jetzt glaenzt er golden. Ein herrliches Fleckchen Erde.
Heute geht es in 9 Stunden mit 5 bis 6 mal umsteigen nach Maribor. Eine neue Grenzüberschreitung. Ich bin gespannt!
„Reisen ist gesund, ich hau ab und zieh Leine und ihr seht mich als Punkt am
Horizont verschwinden um ein Stück weiter hinten mich selbst zu
finden…“