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Brückenschläge und Schlagworte

Augenfunkeln

Es fing alles ganz harmlos an. Eine schöne, kluge Frau mit großen traurigen Augen, die dir gefiel. Es war so einfach, sie mit Liebe zu überschütten. Jedes deiner Komplimente sog sie auf wie ein trockener Schwamm das Wasser. Mit jedem deiner Worte glomm ein kleiner Funke in ihr auf, der sie zauberhaft und zerbrechlich machte. Noch nie hatte jemand solche Dinge zu ihr gesagt, das vertraute sie dir im Dunkel der Nacht in deinen Armen an, und die tiefen traurigen Augen füllten sich mit heißen Tränen.

Du küsstest das salzige Nass weg, wolltest den Schmerz stillen, der sich aus ihr im Überfluss ergoss. Du griffst wieder zu den Komplimenten, aber sie nutzten sich schneller ab, als die Tränen versiegen konnten. Da dachtest du dir größere, weltumspannendere Sätze für sie aus, poetischere Formulierungen, und die Augen funkelten wieder ein wenig unter den Tränen – aber nur bis die Worte nicht mehr neu waren, nicht mehr groß genug. Neue Sätze mussten entstehen, größer, eindrucksvoller, phänomenaler. Du musstest sie trösten, sie deiner tiefen Gefühle versichern, und die Sprache musste sich ausdehnen, sie musste größer werden, um zu genügen, um alles zu werden, alles zu sein, um den Funken in den Augen heraufzubeschwören.

Doch die Sprache wollte nicht mehr ausreichen, nur noch selten gelang dir der Funke, meistens waren sie stumpf und traurig, die großen Augen. Und dich überkam eine große Hilflosigkeit. Eine übermächtige, graue Traurigkeit, die dir die Sprache nahm, die Liebe, und alles, wofür du geglaubt hattest, kämpfen zu wollen. Und der Funke verlosch ganz.

Irgendwann war es vorbei, und du dachtest an Erich Kästner. „Und wer kommt nun? Lebwohl. Ich habe Angst.“

Seitdem kommen und gehen die Frauen in deinem Leben. Ob du schon einmal wirklich geliebt hast? Du weißt es nicht mehr. Wenn du ehrlich bist, glaubst du, dass ihre Abhängigkeit von der Liebe das Gefühl produziert hat, dass es ein künstliches, ein hergestelltes Gefühl war.

Aber du weißt auch, dass es funktioniert, wenn du dich an die Sprache hältst. Dass du Frauen für dich gewinnen kannst, wenn du die Sprache nutzt, besonders die Frauen mit den großen traurigen Augen. Die Sprache, die so dehnbar ist. Bis sie ihren Dienst versagt. Wenn es keine Worte mehr gibt, die den Funken in die großen traurigen Augen bringen, ist es Zeit für dich, zu gehen, und deine Worte mit dir zu nehmen.

Zum nächsten großen, traurigen Augenpaar.

3 Kommentare

  1. Ich weiß nicht, ob ich dir gesagt habe, wie unglaublich schön und wahr dieser Text ist. <3

    • bruecken_schlag

      Juli 27, 2015 at 8:42 pm

      Dafür hab ich mich nie bedankt… es wundert mich nicht, dass du einen besonderen Bezug dazu hast. Ich drück dich <3

  2. Sehr schön und sehr berührend dieser Text.
    Man erkennt die Traurigkeit, aber auch die Schönheit der Tage vor der Trennung.

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