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Brückenschläge und Schlagworte

Schlagwort: waterfall

Footbridges in Plitvice Lakes National Park, Croatia

This may be more of a crossing than an actual bridge. But since it gets people drily across a body of water I’ll count it. Plus, I love the picture. Footbridge, Plitvice Lakes, CroatiaThis is what the footbridges look like in Plitvice Lakes National Park in Croatia – that fairytale place of waterfalls and water of greenish blue colours you didn’t yet know existed. You walk barely just above the water surface on planks, and plants in different shades of green entwine around the planks and seem to reach out to you, wanting to draw you towards them and underwater. The water is gushing underneath your feet. It feels like you could actually walk on water.

One of the best travel decisions in my life was most definitely coming to Plitvice Lakes in April – off-season. Even in the cool Spring weather it was already fairly well visited, and I cannot even begin to imagine what it must look like in summer. Or maybe I just don’t want to imagine. The only thing that saves the place from a complete tourist overload is probably the fact that you are not allowed to swim in the turquoise – no, emerald – no, myrtle – pine – shamrock – good lord, I just cannot decide on a good word to describe the incredible colour of the water. The footbridges blend in so well that they are hardly noticeable – and yet they allow for the visitor to get to the points where the view will be most amazing. Plitvice might not be a secret anymore – but it doesn’t matter, it is a must see for anyone who goes to Croatia.

If you have read My Mission statement, you know why I love bridges. To me they are the most universal symbol of connection, of bringing people together and overcoming anything that may seperate us. I want to present to you pictures of bridges that I really love in places that I really love on my blog every Sunday. If you have a picture of a bridge that you would like to share with my readers as a guest post, feel free to contact me!

Lahemaa

An meinem Geburtstag wache ich morgens auf, drehe mich im Hostelbett, schlage langsam die Augen auf und mir gegenüber sitzt Wiebke, in der Hand ein Obsttörtchen mit einer brennenden Kerze und grinst mich an. Mich überfällt ein großes Gefühl von Dankbarkeit, Glück und Liebe, für diese Freundin und für alle Menschen, die auf dieser Reise um mich sind. Ich strahle. Im Common Room des Hostels hängt an der Tür ein Zettel, dekoriert mit einer Traube von Luftballons, darauf steht: „Happy birthday, Mariella!“ Ich könnte die ganze Welt umarmen. Man sollte an jedem Morgen Grund haben, sich so zu freuen – und wenn gerade kein Grund in Sichtweite ist, sollte man sich an Dinge erinnern, die einem einen Grund geben. Denn das Leben ist herrlich, heute besonders.
Um 10 müssen wir an der kleinen Touristeninfo sein. Dort wartet bereits eine kleine Menschenmenge, die sich ebenfalls für den Ausflug in den Lahemaa-Nationalpark angemeldet hat. Wir werden in zwei Gruppen zu je acht Personen aufgeteilt und in Minivans verladen. Unser Guide stellt sich vor: „My name is Yevgeniy, but that’s difficult to say for many people, so just call me JJ.“ Jewgenij, denke ich, das klingt aber nicht estnisch. Wenig später sagt er beiläufig, dass es vielleicht interessant sei zu wissen, dass er Russe sei. Einige Fragen kommen daraufhin aus der Gruppe – ob er die estnische Staatsbürgerschaft habe? Natürlich, er habe die russische nicht. Was er von Putins Politik halte? Das habe nichts weiter mit ihm zu tun, schließlich wohne er nicht in Russland und für ihn sei etwa die Politik der Europäischen Union von weitaus größerer Bedeutung als die Russlands. Trotzdem fühlt er sich als Russe. Ich überlege, ob er jetzt ein estnischer Russe ist oder ein russischer Este. Ich frage ihn, ob er zuhause nur Russisch spricht. Ja, aber seine Eltern seien so klug gewesen, ihn auf die estnische Schule zu schicken, so dass er beide Sprachen gleich gut spricht. Ich muss lachen. Mit den seltsamen Vokalen im Estnischen und der Menge an Konsonanten im Russischen, sage ich zu ihm, muss er ja in der Lage sein, fast jeden Laut zu produzieren, den europäische Sprachen so hergeben. Er grinst verlegen.
Die Autofahrt führt uns zuerst durch eine große Plattenbausiedlung mit riesigen grauen Hochhäusern. JJ beschreibt sie als eine Art Russenghetto, und er spricht von den Vorurteilen gegenüber der russischen Minderheit in Estland. Die Kriminalität in dieser Gegend, sagt er, folgt nicht aus der Nationalität, sondern es handelt sich um ein soziales Problem. Die Menschen hier können oft kein Estnisch, sie haben einen niedrigen Bildungsstand, finden keine Arbeit. Ich freue mich sehr, dass wir einmal die russische Perspektive auf die ethnische Spaltung des Landes bekommen. JJ ist sicher nicht der typische Russe, er ist nicht einer von denen, auf denen die Vorurteile basieren, er ist einer, der die Vorurteile zerstreuen kann. Er äußert sich naturgemäß sehr differenziert zu den Belangen der Russen in Estland, und es ist spannend ihm zuzuhören.
Es geht an der Autobahn zum Jägala Juga, dem größten natürlichen Wasserfall Estlands. Es ist Hochsommer, deswegen führt er nicht so viel Wasser und füllt nur die Hälfte der Kalksteinkante. Das sieht lustig aus, ein bisschen abgebrochen.
Wir bleiben hier nur kurz, um anschließend im Nationalpark ein Stück durch den Wald zu spazieren und uns eine alte sowjetische Wasserkraftanlage anzuschauen, die dort unbenutzt vor sich hinmodert. Die schweren Betonplatten sind moosüberzogen, eine Industrieruine am Grunde des tiefen, dichten Waldes und ein eindrucksvolles Denkmal estnischer Geschichte. Hier erzählt JJ auch noch einmal etwas über die Sowjetzeit, und er sagt etwas, von dem ich nicht behaupten kann, dass ich damit uneingeschränkt einverstanden bin, was mich aber dennoch zum Nachdenken bringt: „Hitler was a horrible man, but in my personal opinion, he killed people he thought were his enemies, and he did it in public. Stalin killed his own people, and he did it secretly.“ So einfach ist es natürlich nicht, und Vergleiche soll man sowieso nicht anstellen. Es zeigt vielleicht nur umso eindrücklicher, wie in diesem Teil Europas historisches Leid gewichtet wird.
Der Kontrast zur nächsten Station könnte nicht größer sein. Wir machen Halt an einem der alten deutschen Herrenhäuser in Sagadi. Was Epp gestern über die deutsche Bevölkerung gesagt hat, hier gewinnt es Gestalt: Die Deutschen waren zuhause vielleicht arm, hier waren sie Herren über wunderschöne Anwesen.
Am Eingangstor sind zwei Platten mit Inschriften auf Deutsch in den rosa gestrichenen Stein eingelassen – Bitten für die Altvorderen und für die Nachkommen, aus dem späten 18. Jahrhundert, in altmodischer, feierlicher Sprache. Sie erinnern mich an die Grabinschriften auf Friedhöfen in Niederschlesien – aber hier findet sich deutsches Erbe mal nicht auf einem Friedhof, nicht im Zusammenhang mit Krieg oder Vertreibung oder Unrecht, sondern einigermaßen unschuldig. Oder denke ich das nur, weil ich nicht genug über die Geschichte der Baltendeutschen weiß? Zumindest rühren mich diese Tafeln irgendwie. Wir schreiten in der Gruppe durch den Garten des Anwesens. Wunderschöne Blumen, ein hübscher, etwas verwilderter Gartenteich, und die Sonne wagt sich vorsichtig durch die graue Wolkendecke. Architektonisch bildet die Pracht des Herrenhauses wirklich einen Kontrast zu dem, was ich bisher in Tallinn am eindrucksvollsten fand – den hübschen kleinen Holzvillen in Catherinenthal. Wir schauen uns das Haus nicht von innen an, vermutlich hätte mich das auch völlig aus dem Bewusstsein, in Estland zu sein, herausgerissen.
Weiter geht es mit dem Auto über Võsu, eine der größeren Siedlungen im Park mit etwa 500 Einwohnern, nach Käsmu: ein entzückendes kleines Fischerdorf auf der östlichen Seite der gleichnamigen Halbinsel. Hier gibt es im kleinen See-Museum Mittagessen – frischen Lachs mit Pellkartoffeln und einer herrlichen Joghurt-Dill-Sauce. Ich habe vielleicht noch nie so guten Fisch gegessen. Dazu stehen große Karaffen mit Blaubeersaft auf dem Tisch, in dem die Früchte obenauf schwimmen, und zum Nachtisch Butterkuchen. Die Tafel ist entzückend hergerichtet mit blauweißem Porzellan und einer hübschen Tischdecke, und durch das Fenster, das mit blauen Glasflaschen dekoriert ist, hat man einen traumhaften Blick auf die Bucht, die jetzt unter einem strahlend blauen Himmel leuchtet.
Wir bekommen auch eine kleine Führung durch das Museum mit ein bisschen Seemannsgarn und hübschen Anekdoten zur Geschichte der Fischerei in Käsmu. Anschließend schauen wir uns draußen noch um. Ein kleiner Leuchtturm aus Holz schmiegt sich malerisch in die sanften Hügelchen am Ufer, und dann steht da noch ein abgerissener Aussichtsturm. Wiebke und ich klettern hoch. Der Blick ist einfach bezaubernd schön, die Sonne lacht, und ein leichter Wind weht uns um die Nase. Das Meer… Ich kann mir nicht helfen, Berge können mit dem Meer einfach nicht mithalten.
Schon wieder müssen wir in den Van klettern. Bei der nächsten Station habe ich ein bisschen die Orientierung verloren, aber ich vermute, dass wir zwischen Virve und Hara in dem Gebiet sind, dem gegenüber die kleine Hara-Insel liegt, die früher Militärgebiet war. Am Strand tut sich vor uns erneut eine Industriruine auf. JJ erklärt, es handle sich dabei um eine Demagnetisierungsanlage für U-Boote. Es dauert ein bisschen, bis ich das Prinzip verstanden habe. U-Boote können über das Magnetfeld, das sie erzeugen, geortet werden. Die Sowjets haben deshalb ihr U-Boote an diesem Ort mit Hilfe von Elektrizität so präpariert, dass sich das magnetische Feld unter Wasser verändert und sich nicht mehr von dem der Umgebung unterscheidet. Natürlich ist die Anlage inzwischen seit vielen Jahren nutzlos und verfällt ebenso wie die Wasserkraftanlage im Wald. Über Scherben und verrostete, abgebrochene Stahlträger klettern wir auf dem Rest des Gebäudes und auf der Mole herum.
Wir schauen auch einmal kurz in eine der früheren Hallen hinein. JJ weist uns darauf hin, dass sich diese zwei Inschriften auf den Trägern direkt gegenüberstehen:
Raucherbereich
Nicht rauchen!
Über sowas kann ich mich königlich amüsieren. Ich komme wieder mit JJ ins Gespräch. Es geht um die Sowjetzeit, die ich bisher hier im Baltikum ja einhellig aus einer Perspektive geschildert bekam: Als Okkupation, als Zeit der Unterdrückung und des Leids. JJ ist der erste, der, wenn auch vorsichtig, davon Abstand nimmt und sagt, dass er durchaus glaubt, dass nicht alles schlecht war. Seine Großeltern erzählten zum Beispiel durchaus auch von schönen Momenten aus der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Eine Perspektive, die ein „estnischer Este“ sicherlich niemals über die Lippen bringen würde.
Unsere letzte Station ist der Viru-Sumpf am südwestlichen Ende des Parks. Ein Pfad aus Holzplanken führt über den weichen, bemoosten Grund, der fest aussieht, es aber an den meisten Stellen nicht ist. Am hölzernen Aussichtsturm verlässt uns JJ, um uns mit dem Auto auf der anderen Seite des Sumpfes wieder abzuholen. Nach dem Blick vom Turm über die weite Fläche aus Wald, Seen und Moorwiesen ziehen Wiebke und ich auf einem Steg unsere Badesachen an und springen in einen der eisenhaltigen kleinen Teiche mit dem rotorangenen Wasser, das sehr gesund sein soll. Das Wasser ist nicht gerade warm, aber es ist angenehm, und ich ziehe so meine Bahnen und bin gefangen von der Landschaft um mich herum. Die Farben sind von großer Intensität – der Himmel, der gleichzeitig hell und tief ist, die verschiedenen Grüntöne des Sumpfes, und das Wasser, in dem meine Haut eine orangebraune Tönung annimmt.
Wir kommen wieder in Tallinn an, die Stadt wirkt plötzlich laut und urban nach der großen Ruhe in Lahemaa. Im Rathaus gibt es ein kleines Mittelalterrestaurant, wir essen Elchsuppe und Blätterteigpasteten und trinken einen herrlichen Rotwein. Danach ziehen wir noch durch mehrere Cafes und landen schließlich im Kehrwieder am Marktplatz, wo die heiße Schokolade zwar teuer ist, aber dick und sämig wie flüssiger Schokoladenpudding. In meiner geburtstäglichen besinnlich-glücklichen Stimmung sprechen wir über Ziele, über Träume und Pläne. Mir scheint heute alles möglich, alles gut, und ich bin froh, dass Wiebke da ist, um diese Stimmung mit mir zu teilen. Bevor wir ins Hostel zurückkehren, liegen wir noch auf dem Harjuhügel auf einer der Holzliegen und schauen in den Sternenhimmel auf der Suche nach den angekündigten Sternschnuppen. Sie wollen sich uns nicht zeigen, vermutlich ist hier in der Stadt die Lichtverschmutzung zu groß. Es stört mich nicht. Der Tag war so wunderschön, dass er mir wie die Erfüllung eines Wunsches vorkommt, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn hatte.

Mostar, Stolac, Kravice, Pocitelj und Sarajevo

In Split am Flughafen empfaengt mich die Hitze, die ich den Sommer ueber in Berlin vermisst habe. Palmen stehen vor der Ankunftshalle. Die Luft flimmert. Ich teile mit zwei Australierinnen ein Taxi in die Innenstadt und springe fast uebergangslos in den Bus nach Mostar.
Die kroatische Kueste ist mir vertraut mit ihrer sich sanft schlaengelnden Strasse, den vereinzelten Glockentuermen in den kleinen Siedlungen und dem Blick auf ueberfuellte Straende. Verkarstete Berge liegen zu meiner linken, die Adria zur rechten. Noch vor der bosnischen Grenze wird der Himmel langsam dunkler, die Nacht senkt sich auf die Landschaft herab. Nach einer Busfahrt, die mir laenger vorkommt als im letzten Jahr, scheucht mich der Busfahrer in Mostar aus dem Bus. Ich habe diesen Busbahnhof noch nie gesehen. Ich mache mir kurz Sorgen, dass ich in der falschen Stadt ausgestiegen bin. Ein Geisterbahnhof, er sieht aus als waere er noch nicht ganz fertig gebaut, als wuerde hier eigentlich niemals ein Bus halten. Lebendig ist nur die Tankstelle an der Strasse. Ich fasse mir die zwei schwedischen Maedels, mit denen ich mich im Bus unterhalten habe, laufe vor zur Tankstelle, zeige dem Tankwart meinen Mostarstadtplan im Lonely Planet und frage auf bosnisch, wo wir sind. Unbestimmt zeigt er auf eine Gegend im kroatischen Teil der Stadt. Ich frage nach der Altstadt. „Taxi…“ lautet die Antwort. Ich bitte ihn, ein Taxi fuer uns zu rufen, weil wir keine bosnischen Telephone haben, und fuenf Minuten spaeter kommt auch eins. Ich nenne die Adresse von Majdas Hostel, der Taxifahrer weiss gleich bescheid. Die Schwedinnen sagen ihre Adresse, der Taxifahrer kennt sie nicht. Viel spaeter wird mir klar, dass das Hostel der Schwedinnen auf der bosniakischen Seite der Stadt liegt, der Busbahnhof ist neu, er wird auf der kroatischen Seite gebaut, damit Busse aus Kroatien und aus der vornehmlich kroatisch bevoelkerten Umgebung nicht mehr bis in den bosniakischen Teil fahren muessen. Ich bin wieder in die politische Sphaere eingedrungen, die Mostar heisst.
Im Hostel gibt es ein grosses Hallo und herzliche Begruessungen. Wie nicht anders erwartet: Ich fuehle mich, als sei ich nie weg gewesen. Der erste ganze Tag vergeht in entspannter Traegheit. Bosanska kahfa, an den Moscheen in der Altstadt vorbeitroedeln, in kurzes Bad in der reissenden Neretva, um der Hitze zu entfliehen. Abends gehen wir ein Bier trinken auf einer der kleinen Terassen ueber dem Fluss, die den wunderschoenen Blick auf die Bruecke freigeben. Dahinter ist eine Islamschule fertig restauriert, die letztes Jahr noch nicht da war. In meinem Kopf ersetze ich die Klaenge der Balkanmusik durch Bombenlaerm und Kriegsgeraeusche. Alles an diesem Ort ist herzzerreissende Schoenheit und abgrundtiefe Traurigkeit zugleich.
Am naechsten Tag fahre ich mit Brent, Else und Nick aus dem Hostel nach Stolac. Es muss im Krieg voellig dem Erdboden gleichgemacht worden sein, und man sieht deutlich mehr Kriegsschaeden als in Mostar – Einschussloecher an den Waenden, mitunter Haeuser von denen nur noch die Waende stehen. In den Ruinen hinter der Moschee liegen, wie in Vukovar, noch die Bosenfliesen in einem rotweissen Karomuster, ein intakter Fussboden in einem vollstaendig zerschossenen Haus.
Wir klettern ueber verschlungene Pfade einen eindeutig inoffiziellen Weg hoch zur Burg. Eine Herde Ziegen versteckt sich vor der brennenden Hitze in einem der alten Wachtuerme. Sie maehen uns klaeglich an. Weiter nach oben durch das Gestruepp, immer hoeher, bis wir im obersten Burghof ankommen. Hier steht ein ueberdimensionales Steinkreuz, davor ein grosser steinerner Altar. Mich erinnert die Szene an die Chroniken von Narnia und die Szene, in der der Loewe Aslan sich auf dem steinernen Tisch opfert. Die Steine sind neu, und der Putz auch, eindeutig sind diese Dinge hier erst nach dem Krieg hingesetzt worden, um kroatische Besitzansprueche zu demonstrieren. Immerhin ist die Moschee im Tal in sehr gutem Zustand und von aussen entzueckend mit einem kleinen gepflegten Friedhof voller bluehender Rosen. Leider ist sie geschlossen.
Wir fahren durch die Umgebung, schauen uns die grossen Grabsteine der bosnischen Kirche an, die von eben dieser christlichen Bewegung des Mittelalters zeugen. In Mostar gibt es ein altes ausgebombtes Einkaufszentrum, das noch immer ruinoes in der Innenstadt steht und dessen Aussenwaende ebensolche Zeichnungen aufweisen, wie wir sie hier auf den Grabsteinen finden. Die bosnische Kirche ist durchaus Teil der genuin bosnischen Identitaet.
Die bosnische Kirche soll auch Blagaj bereits als heiligen Ort genutzt haben, wo wir ebenfalls noch Halt machen. Heute steht dort die herrliche Tekke, in der ich letztes jahr so viele ruhige friedliche Stunden zugebracht habe. Sie wird durch tuerkische Geldgeber restauriert und man kann nicht hinein, aber die Quelle der Buna ist ein Naturereignis wie eh und je. Dennoch kommt mir der Ort irgendwie entweiht vor durch den Baulaerm, und ich habe auch den Eindruck, dass mehr Restaurants dort geoeffnet haben und alles etwas touristischer geworden ist. Bata versichert mir spaeter, dass dort genauso viele Gebaeude stehen wir letztes Jahr und es schon immer genauso touristisch war wie jetzt. Aber mir wird trotzdem etwas wehmuetig, als ich dort stehe und auf die Tekke hinuebersehe.
Der Weg zurueck nach Mostar fuehrt durch eine trostlose Landschaft. Auf der einen Seite verbrannte Erde, auf der anderen karges Heideland. Ich habe Bosnien gruener in Erinnerung. Ob der lange heisse Sommer die Gegend so ausgetrocknet hat? Ich bin froh, wieder in Mostar anzukommen, die gruene Neretva im Blick. Abends gehen wir mit Hostelgaesten essen. Im Restaurant hoere ich eine Gruppe am Nebentisch aufbrechen, einer der jungen Maenner sagt: „Ajde!“ Mein Herz huepft. Ich bin tatsaechlich wieder auf dem Balkan.
Ich fahre noch einmal mit auf die wunderbare Tagestour, die Bata anbietet. Sie ist etwas anders als im letzten Jahr und umfasst nur noch zwei Orte, darunter die wunderbaren Wasserfaelle in Kravice, an denen wir viel Zeit verbringen. Bata bringt uns diesmal etwas abseits von der Fuelle der Badegaeste in abgeschiedenere Gegenden. Ich springe von einem elf Meter hohen Kliff in das gruene Wasser und schreie dabei laut. Es ist befreiend.
Die zweite Station heisst Pocitelj, und die Schoenheit des Ortes geht mir wieder ans Herz. Die anderen Reisenden erklimmen einen der Festungstuerme der mittelalterlichen Stadt, ich bleibe unten, schaue auf die Moschee hinueber und sehe zu, wie das letzte bisschen Sonnenlicht hinter den Bergen verschwindet.
Am naechsten Morgen geht der Zug in aller Fruehe nach Sarajevo. Ich fuehle mich nicht ganz gesund, habe Magenprobleme und bin sehr muede, ich habe die letzten drei Naechte sehr schlecht geschlafen, weil die Klimaanlage so kalt eingestellt war. In Sarajevo angekommen checke ich im Hostel ein und gehe in dem kleinen Innenhof hinter dem Taubenplatz eine bosanska kahfa trinken. Anschliessend beschliesse ich, mich im Hostel ein bisschen hinzulegen. Nach zwei Stunden wache ich auf, mir ist eiskalt, ich zittere, aber ich fuehle mich heiss an, ich glaube ich habe ein kleines Fieber. Ich gehe direkt schlafen – aus einem schoenen Tag in Sarajevo wird so nichts, aber ich kenne die Stadt ja und bin froh, wenigstens ein bisschen das besondere Flair der tuerkisch gepraegten Innenstadt aufgesogen zu haben. So werde ich hoffentlich wenigstens fit sein fuer die lange Busfahrt nach Trebinje am naechsten Tag.

Veliko Tarnovo / Varna / Burgas

Ich kann mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal mit dem Zug gefahren bin, ich glaube es war zwischen Sarajevo und Mostar. Zwischen Plovdiv und Stara Zagora faehrt ein alter deutscher Regionalexpress. Es ist immer wieder seltsam, in einem fremden Land in einem Zug, Bus oder einer Strassenbahn aus Deutschland zu sitzen. Meistens sind die Schildchen – „Nicht aus dem Fenster lehnen“, „Notbremse nur im Notfall benutzen“, „Waehrend der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen“- unuebersetzt oder nur provisorisch mit bedruckten Aufklebern ueberklebt.
Wie wir es aus dem Regionalexpress von jeher kennen, gibt es auch hier nicht ausreichend Platz fuer Gepaeck. Mein Rucksack ist staendig im Weg und faellt auch immer um. Mein Sitznachbar fragt mich schliesslich „Na gore?“- „Nach oben?“ und zeigt auf ein Gepaecknetz, und ich nicke engagiert. Er guckt verwirrt. „Ne?“- „Nein?“ Ach du meine Guete, das geht hier ja andersrum mit dem Kopfschuetteln und dem Nicken! Ich sage schnell: „Da, da!“ und nicke wieder – ach nein, wieder falsch! und wechsele dann zum Kopfschuetteln. Ich glaube der arme Mann haelt mich fuer ein wenig seltsam, aber mein Rucksack landet schliesslich auf der Ablage. In Stara Zagora muss ich umsteigen, die Zeit ist knapp, ich laufe auf das zweite Gleis und frage einen Schaffner, der da neben dem Zug sitzt: „Veliko Tarnovo?“ Er schuettelt den Kopf und sagt „Tarnovo, da!“ Gott sei Dank ergaenzt er die Geste um die Worte, auf die ich mich immerhin verlassen kann, sonst waere ich sicherlich endgueltig verwirrt am Bahnsteig stehen geblieben.

Veliko Tarnovo ist heiss. Jeder andere Eindruck verschwindet zunaechst hinter den Temparaturen, es sind wohl an die 40 Grad. Trotzdem mache ich mich nachmittags auf, um auf die Festung Tsaravets zu klettern. Sie ist riesig und ausgesprochen gut erhalten.

Am hoechsten Punkt steht eine Kirche, die mich schwer beeindruckt. Sie ist mit Fresken aus den 1980er Jahren geschmueckt. Ich tue mich sonst so schwer mit moderner Kunst, aber die Waende hier sprechen mich wirklich an. Neben christlichen Motiven finden sich wohl auch Bezuege zur bulgarischen Geschichte. Ich kenne mich leider viel zu wenig aus um irgendetwas zuordnen zu koennen, aber das ist nicht so schlimm. Die Figuren sprechen ihre eigene Sprache, mit der sie Leid und Triumph zum Ausdruck bringen. Abends gibt es im Hostel das Fussballspiel gegen Australien. Ich gehe nach dem 4:0 ausgesprochen gutgelaunt zu Bett.
Am naechsten Tag organisiert das Hostel einen kleinen Trip zu einem nahen Kloster, wo wir versuchen, Fresken bestimmten biblischen Geschichten oder mythologischen Figuren zuzuordnen und schliesslich dahinterkommen, dass das grosse Bild an der Klosterwand den Wechsel der Jahreszeiten darstellt. Alles ist hier von aussen ein bisschen heruntergekommen, aber das Innere der Klosterkirche strahlt im ganzen traditionellen Glanz. Anschliessend fahren wir zum Hotnica-Wasserfall. Wir schwimmen im gruenen Wasser des Flusses und springen die zwei oder drei Meter den Wasserfall hinunter. Eine herrliche Erfrischung!

Ich mache mich zwei Tage spaeter fast etwas wehmuetig auf nach Varna – obwohl oder gerade weil ich in Veliko Tarnovo noch lange nicht alles gesehen habe, hat es mir dort ausgesprochen gut gefallen und ich haette noch viel mehr Zeit dort verbringen koennen. Die Kueste lockt jedoch mit ihren etwas kuehleren Temparaturen. Meine Gastgeberin Boyana kommt mich in Varna vom Bus abholen und wir laufen zu ihrem am Rande des Zentrums gelegenen Appartment, das sie mit ihrem Freund Niki teilt. Vom Balkon aus sehe ich schon das Schwarze Meer, da haelt es mich nicht mehr und ich laufe gleich in die Stadt. Ich bin erstaunt ueber die Schoenheit des Zentrums. Es erinnert mich stark an Opatija in Kroatien und hat viel von oesterreich-ungarischem Kurort-Pomp – wie kann das sein? Die Bulgaren haben das von osmanischer Architektur gepraegte Zentrum Ende des 19. Jahrhunderts nach westlichem Vorbild umgebaut – alles fuer die Distanzierung vom „Joch der tuerkischen Herrschaft“. Niki spricht, vielleicht in Ermangelung besserer Englischkenntnisse, sogar von „Slavery“, wenn es um die tuerkische bestimmte Vergangenheit Bulgariens geht.
Und schliesslich erreiche ich durch den Primorski Park, den Park am Meer, den Stadtstrand von Varna und sitze am Ufer des Schwarzen Meeres. Es ist graugruener als das Mittelmeer und mir dadurch sehr vertraut. Wild, aber bestaendig. Aus irgendeinem Grund ist mir seine Endlichkeit sehr bewusst. Am Ufer von Ostsee und Mittelmeer erscheint mir der Horizont in aller Regel unbeschreiblich weit, als kaeme niemals Land dahinter. Hier denke ich unmittelbar daran, dass auf der anderen Seite des Meeres Asien liegt und die Weiten Russlands. Es weht ein leichter Wind, der mir den Kopf frei macht. Das Mittelmeer ist wunderbar, es ist ein Urlaubsmeer zum Schwimmen und Strandliegen. Das Schwarze Meer, wie meine geliebte Ostsee, ist zum Spazierengehen und Horizontgucken. Es bringt mich anders zur Ruhe.

Am naechsten Tag verbringe ich den Morgen am Strand und nachmittags gucken Boyana, Niki und ich das Spiel gegen Serbien, naja, reden wir nicht weiter darueber. Niki geht anschliessend mit mir an den Hafen. Er erklaert mir viel bulgarische Geschichte und wir schauen den Segelschiffen zu, die mit bunten Spinnaker in den Hafen einlaufen.

Die naechste Station heisst Burgas. Es ist eın beschauliches Staedtchen mit Kuestenflair, in dem ich zwei ruhige Tage mit viel Fussball und guten Gespraechen mit meiner Gastgeberin Dora und ihrer Cousine Galina verbringe. Von dort bin ich heute nacht nach Istanbul gereist, das einen eigenen Blog verdient. Es ist bislang noch unbeschreiblich. Mein Bild muss sich erst noch festigen. Soviel vorweg: Ich finde es phantastisch.

Mostar und Umgebung / Travnik / Jajce / Banja Luka / Sarajevo

Die Busfahrt von Split nach Mostar eroeffnet wieder Ausblicke, die mich sprachlos machen. In Kroatien werden die Berge immer hoeher und der Blick ueber die Adria wird immer weiter. Hinter der bosnischen Grenze (diesmal Passkontrolle, aber kein Stempel, ich bin fast ein bisschen enttaeuscht) ist alles weicher und gruener. Die Landschaft ist so harmonisch und friedlich, der Krieg, den man mit Bosnien doch so haeufig als erstes assoziiert, er kommt mir gar nicht in den Sinn. Auffaellig nur die grosse Anzahl kleiner Schrottplaetze mit ausgenommenen Autos deutscher Hersteller… ein paar Stereotypen muss wohl jedes Land bedienen.

Die Ankunft in Mostar ist ziemlich dramatisch. Erst will der Busfahrer mit mir was trinken gehen. Nein danke. Dann setzt er mich irgendwo ab und behauptet, die Innenstadt waere ganz nah. Da der Busbahnhof laut Karte tatsaechlich irgendwo in der Wallachei liegt, glaube ich ihm, steige aus und verlaufe mich hoffnungslos. Da stehe ich dann auch ploetzlich zwischen Kriegsruinen und alles ist ein bisschen unheimlich. Nach einer Stunde finde ich das Hostel, habe, hurra, erstmal einen Asthmaanfall vor lauter Aufregung und bin ganz schoen k.o. Keine halbe Stunde spaeter lachen mich die anderen Hostelgaeste aus, weil ich schon voellig wiederhergestellt bin und ausgesprochen gute Laune habe. So kann es gehen. Das Hostel wird von Majda und Bata betrieben, Geschwister um die 40, und liegt in einer Wohnung in einem Plattenbau. Die Stimmung ist unheimlich familiaer und gemuetlich und man muss sich einfach sofort wohlfuehlen.

Am naechsten Tag bietet Bata eine Tour durch die Region an. Fast alle Hostelgaeste fahren mit, und es ist nicht zu irgendjemandes Schaden. Zuerst bringt Bata uns nach Međugorje. 1981 hatten hier auf einerm einsamen Berghuegel sechs Teenager eine Vision der Heiligen Jungfrau Maria. Seitdem ist der Ort eine Pilgerstaette und wird jaehrlich von bis zu 2 Millionen Menschen besucht. Alles fuehlt sich ein bisschen nach Disneyland an, weil der Ort eigentlich nur aus Restaurants, Souvenirlaeden und Hotels besteht, viel Plastik und Pappe. Aber was fuer eine Macht der Glauben haben kann! In naher Zukunft will der Vatikan die Vorkommnisse ueberpruefen, bislang ist der Vorfall nicht offiziell anerkannt, und trotzdem diese Menge von Pilgern!
Die zweite Station heisst Kravice. Hier gibt es einen wunderbaren Wasserfall von fast 30 Metern Hoehe. Wir baden im eiskalten Wasser, stehen unter Nebenwasserfaellen, und springen mit einem Seil in den Gebirgsfluss. Herrlich!

Weiter geht es nach Počitelj. Das mittelalterliche Dorf war bis zum Krieg ganz regulaer bevoelkert, ist aber 1993 ethnischen Saeuberungen zum Opfer gefallen und wurde weitestgehend zerstoert. Einiges ist heute wieder aufgebaut, und der Blick vom Burgturm auf die gruene Neretva ist so schoen, dass es mir die Traenen in die Augen treibt. Wir kehren bei einer der letzten Bewohnerinnen des Dorfes ein und werden mit Kirschstrudel, bosnischem Kaffee (der uns meistens als tuerkischer Kaffee bekannt ist) und selbstgemachtem Minz-, Salbei- und Granatapfelsirup bewirtet.

Der letzte Halt ist Blagaj, eine Pilgerstaette fuer Moslems mit einer herrlichen Tekke und der Quelle des Flusses Buna. Das erste Mal auf dieser Reise muss ich ein Kopftuch tragen. Ich habe noch viele Diskussionen darueber vor mir, aber ich finde es nicht unangenehm. Blagaj ist ein wirklich zutiefst spiritueller Ort. Ich moechte gerne wiederkommen.

Die ganze Tour ueber versorgt uns Bata mit Informationen ueber die Region, den Krieg, seine Lebensgeschichte und die bosnische Kultur. Er hat unglaublich viel zu teilen, und es ist ein Geschenk, dass er bereit ist so offen darueber zu sprechen. Seine ganze Familie musste im Krieg fliehen, und die Dinge, die sie vorher gesehen haben muessen, entbehren jeder Beschreibung. Ich scheue mich davor, zu viel hier niederzuschreiben. Wer die Geschichten hoeren will, soll selbst nach Mostar fahren.

Wir kommen erst spaet nach Mostar zurueck und deswegen habe ich am folgenden Morgen nur noch wenig Zeit fuer die Stadt. Sie begeistert mich. Sie ist bunt und froehlich und lebensfroh. Die Menschen scheinen aus den Erfahrungen des Krieges einen besonderen Ueberlebenswillen gezogen zu haben. Maedchen mit und ohen Kopftuch sitzen gemeinsam beim Kaffee und schnacken. Die Souvenirstaende mit den herrlichen Schals und Schmuckstuecken nehmen Euro und Bosnische Mark und ueberall spricht man Englisch. Die Bruecke, die beruehmte, sie trohnt ueber allem. Ein herrliches Fleckchen Erde!

Nach einem kurzen Zwischenstop in Sarajevo (ich hoere das erste Mal in meinm Leben den Muezzin vom Minarett zum Gebet rufen, ich finde es wunderschoen!) brechen mein Gastgeber Nagy, ein Kumpel Fatih und ich am Samstag frueh morgens in den Norden Bosniens auf. Nagy und Fatih kommen aus der Tuerkei und arbeiten beide an einer hiesigen tuerkischen Privatuniversitaet. Beide sind glaeubige Moslems und zwischendurch muessen wir das ganze Wochenende immer mal wieder eine Moschee suchen, weil die beiden beten muessen. Wenn man wirklich will, kann man sowas ja echt in jeden Tagesablauf integrieren! Ich frage viel zum Islam, wir haben eine kleine Kopftuchdiskussion und nebenbei geniessen wir die Schoenheit von Travnik und Jajce.

Banja Lukas, unser Ziel fuer den Tag, ist dagegen erschreckend nichtssagend und beinahe haesslich. Abends treffen wir uns mit ortsansaessigen Couchsurfern – noch eine Kopftuchdiskussion. Ich bin mir in meiner Meinung darueber noch nicht ganz klar, aber die staendige Auseinandersetzung mit dem Thema ist ziemlich spannend. Am naechsten Tag geht es ueber Krupa na Vrbasu, einem Mini-Plitvice, wieder zurueck nach Sarajevo.

Sarajevo selbst ist eine sehr bunte Stadt, und die Kriegswunden stoeren die Aesthetik des Ortes nur bedingt. Zumindest atmet man hier Geschichte, ein bisschen wie in Berlin. Das tuerkische Viertel Baščaršija ist voller Leben und ich moechte am liebsten ueberall Schmuck und Tuecher und Roecke kaufen. Ich sitze an beiden Tagen, die ich hier verbringe, stundenlang vor der grossen Moschee und betrachte das Treiben dort. Auch Kopftuecher folgen unterschiedlichen Moden: alte Muetterchen in traditionellen Farben, stylishe junge Frauen mit abgestimmten Outfits. Abends fahren Nagy und ich zur Festung hoch und geniessen einen herrlichen Blick auf die Stadt. Ich besuche auch das Tunnelmuseum, das den Eingang des Tunnels zwischen Sarajevo und dem freien bosnischen Territorium waehrend der Belagerung 1992-1995 bewahrt. Es hat ein bisschen was von Berliner Luftbruecke und ist sehr bewegend.

Morgen kommt noch mehr Auseinandersetzung mit dem Krieg: Es geht nach Vukovar in Kroatien, das schwer beschaedigt worden ist. Mich macht es ganz verrueckt, dass das erst so kurz her ist und ich so wenig darueber weiss. Nach Vukovar steht Serbien auf dem Plan. Darauf bin ich sehr gespannt, denn Kroaten und Bosnier haben, wenn es um den Krieg geht, doch meistens die Serben als den gemeinsamen Feind genannt. Dort begegnet mir sicher eine neue Sicht auf den Krieg.

Slowenische Kueste / Rijeka / Zagreb / Plitvička Jezera

Der Weg von Bled an die Kueste steht unter keinem guten Stern. Ich verlaufe mich natuerlich auf dem fruehmorgendlichen Gewaltmarsch zum Bahnhof in Bled und erwische den Zug gerade noch so, schweissgebadet. Das Wetter ist miserabel und die Sicht auf die eigentlich huebsche slowenische Landschaft dementsprechend auch nur halbschoen. In Koper sitze ich kaum im Bus nach Piran, da faengt es an zu hageln in riesigen Koernern. Na, das kann ja was werden!
Aber ich habe ja mehr Glueck als Verstand mit dem Wetter. In Piran ist strahlender Sonnenschein, und die Adria liegt in schoenster Ruhe zu meinen Fuessen, als ich aus dem Bus klettere. Und mein Gott, was fuer eine huebsche Stadt! Sehr italienisch mit ihrer Piazza, den venezianischen Haeuschen und der Hafenanlage, aber eben irgendwie slawisch! Nicht nur die Strassenschilder sind zweisprachig italienisch-slowenisch (ich freue mich an dem herrlichen Ausdruck „Prvomajski trg“ fuer „Platz des ersten Mai“ – Slowenisch ist so praezise!), sondern auch die Werbeplakate fuer den Sparmarkt. Das Hostel ist teuer, aber gut gelegen und sehr sauber und nett, und in den kleinen Gaesschen kann man sich gut verlaufen. Ich schlendere hoch zur Kirche Svet Jurij. Auf dem Weg waechst Pfefferminze, das riecht so gut. Nachmittags trinke ich einen Cappucino auf einem kleinen Platz, da duftet es auch – nach Zigarettenrauch, Wein, Proščut und Kaffee. Die Stadt ist wunderbar, ich koennte hier Wochen verbringen und einfach sitzen und lesen und gucken.

Am naechsten Tag fahre ich nach Koper weiter – nicht so spektakulaer, aber auch sehr niedlich. Nina, meine Gastgeberin dort, ist wieder eine Couchsurferin, wir gehen abends in einem herrlichen Sonnenuntergang an der Hafenpromenade spazieren. Am Morgen darauf fahre ich mit dem Bus nach Izola und laufe immer am Wasser entlang nach Koper zurueck. In der Ferne glitzern wieder schneebedeckte Berge.

Von Koper mache ich mich auf den Weg nach Rijeka. Die Grenzueberschreitung ist diesmal ganz anders – es gibt einen direkten Zug von Pivka nach Rijeka, ich muss also nur einmal umsteigen. Dafuer kommen in Illirska Bistrica und in Šapjane die Kontrolleure und schauen Paesse an. Ich bekomme meinen ersten Stempel und finde das irgendwie alles so ganz gut und richtig. Dann faellt mir auf, wie komisch es ist, dass ich dieses Ritual so verinnerlicht habe und es so viel gewoehnlicher finde als die Grenzueberschreitung zwischen Ungarn und Slowenien, die ohne jede Formalitaet auskommt. Seltsam.

In Rijeka fahre ich mit dem Bus zu meinem neuen Gastgeber Roni. Wir verstehen uns blendend und schnacken gleich mal mehrere Stunden auf seinem Balkon. Abends wollen wir zu einem Let3 Konzert, eine kroatische Band, die unbeschreiblich ist, ich empfehle Kostproben auf YouTube. Leider ist das Event ausverkauft, aber wir gehen sehr nett mit vielen Leuten was trinken und sind spaet zu hause.
Am naechsten Morgen fahren wir mit dem Bus in das Fischerdorf Volosko und laufen von dort nach Opatija. Ueberall ist oesterreich-ungarischer Kitsch und Kurort-Pomp. Es gibt deutsche Touristen in rauen Mengen, die auf den Hotelterassen sonnenbaden – Roni findet es dafuer noch viel zu kalt, aber ich merke auch schon den Sommer! In Opatija genehmigen wir uns ein Eis, um dann mit dem Bus nach Rijeka an den Hafen zu fahren und dort frische Sardellen zu essen – lecker! Ich mag Rijeka sehr, es hat einen rauen Charme, ein bisschen wie Hamburg – muss am Hafen liegen.

Am naechsten Tag fahreich hoch zum Schloss und geniesse den Blick auf die Stadt. Der Himmel ist grau, aber auf dem Weg ins Zentrum reisst die Wolkendecke auf und es gibt wieder Sonnenschein. Den ganzen Nachmittag sitzen Roni und ich auf dem Balkon und diskutieren beim schoensten Adria-Blick ueber Gott und die Welt. Gegen abend kommt mich ein Freund von Roni abholen, der mich im Auto mit nach Zagreb nimmt.

In Zagreb komme ich in einer Couchsurfer-WG unter. Marina tritt mir ihr Bett ab, weil sie ab und zu gerne auf dem Boden schlaeft – ruehrend! Ich habe nur einen Tag um mir die Stadt anzuschauen, viel zu wenig – es ist seit Budapest die erste Stadt, die die Qualitaet einer Metropole hat, und sie ist viel schoener als ich dachte. Auf Marinas Empfehlung hin fahre ich zum Friedhof, der herrliche Arkaden hat. An einem Grab weint ein altes Muetterchen bitterlich. Ich schleiche eine Weile um sie herum, habe dann aber doch das Beduerfnis, sie zu troesten. Ich gehe zu ihr hin und sage: „Ich verstehe leider kein Kroatisch…“ und sie sagt: „Ich bisschen deutsch.“ Sie weint um ihren Sohn und freut sich glaube ich sehr ueber meine Gesellschaft und meine Hand zum Festhalten. Sie zeigt mir die Graeber der deutschen Gefallenen aus dem zweiten Weltkrieg. Fuenf oder sechs grosse Grabfelder.

Wieder in der Stadt geniesse ich das bunte Treiben und freue mich ueber die Entdeckung der ersten orthodoxen Kirche – so schoen, so wahnsinnig bunt und froehlich! Die Kathedrale ist ebenso eine Offenbarung, und die Parkanlagen um das Theater und verschiedene Museen herum allemal auch einen Spaziergang wert. Abends gehen Marina und ich mit ein paar Freunden in einem ausgesprochen alternativen Laden etwas trinken. Marina hat noch einen zweiten Couchsurfer fuer die Nacht, einen japanischen Puppenspieler, der seine Marionette fuer uns tanzen laesst.

Am Morgen fahre ich ganz frueh zum Busbahnhof, weil um halb 8 mein Bus nach Plitvice zu dem beruehmten Nationalpark gehen soll. Der Bus geht dann erst um 9, deswegen kann ich nicht den ganzen Park sehen – aber mit diesem Fleckchen Erde hat der liebe Gott es wirklich extrem gut gemeint! Ich habe in Europa noch kein so schoenes Stueck Natur gesehen. Wasserfaelle, Seen, Waelder, die Sonne, die auf dem Wasser tanzt. Worte reichen hier nicht aus. Es ist wunderschoen.

Von Plitvice fahre ich mit dem Bus nach Zadar. Ich habe hier keine Couchsurfer gefunden, deswegen hat Marina mich, ruehrend!, an eine Freundin vermittelt, bei der ich jetzt die kleine Wohnung bevoelkere, die eigentlich mit Mann, Baby und zwei Hunden schon voll genug ist. Aber die unfassbare Gastfreundschaft, mit der ich ueberall empfangen werde, hoert auch hier nicht auf. Die Leute haben keinen Platz, aber sie teilen ihn mit fremden Menschen. Das ist ein gefundenes Fressen fuer meinen Idealismus. Das Leben ist schoen.